Es schmatzt laut unter ihren nackten Füßen. Drei Studenten aus Aachen stapfen mit hochgekrempelten Hosen knöcheltief durch den Matsch in einer Holzwanne: Ein Gemisch aus Lehm, Sand, Wasser und Stroh. Was so aussieht wie eine Kneipp-Behandlung, nennt sich Lehmtreten. Ganz schön anstrengend und bei dem regnerischen Wetter der letzten Tage auch ziemlich kalt.
Lehmtreten statt Modellbau
"Es ist auf jeden Fall ein Unterschied zum Studium, wo man eigentlich eher nur am Schreibtisch sitzt und Modellbau macht", sagt Nicholas Kluge, der wie alle seine Kommilitonen hier im sechsten Semester Architektur an der RWTH Aachen studiert.
Beim Zertreten der noch groben Klumpen entsteht nach und nach ein natürlicher Baustoff, mit dem hier im Lehmbauseminar gearbeitet wird. Das findet nicht an der Uni, sondern im Freilichtmuseum Kommern des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) statt. 15 Studierende nehmen daran teil.
Häuser nicht historisch korrekt aufgebaut
Zwei Wochen lang sollen sie dabei helfen, eine Fachwerkscheune aus dem 16. Jahrhundert wieder in ihren Originalzustand zu versetzen. Denn beim Wiederaufbau im Freilichtmuseum wurden deren Wände mit Bimsstein statt mit dem original historischen Baustoff Lehm verfüllt.
Das sei bei einigen Gebäuden aus der Anfangszeit des Museums 1961 der Fall, räumt Museumsarchitekt Volker Kirsch ein: "Ich glaube, unsere Vorgänger haben das Museum ein Stück weit unter Zeitdruck aufgebaut. Das ist nicht gesichert durch irgendwelche Akten, aber ich denke, man hat angefangen mit dem Lehmbau und hat dann gemerkt, jetzt wird das Museum eröffnet und hat dann zum Bimsstein gegriffen."
Anstrengend, aber spaßig
Denn so ging das wesentlich schneller. Jetzt sollen der Bimsstein aus den Wänden geschlagen und die betroffenen Gebäude in Lehmbauweise saniert werden. Schließlich seien sie ein Zeugnis der Geschichte, so der Museumsarchitekt.
Auf einem Holzgerüst steht Architekturstudentin Kim Hoang. Mit einem großen Hammer klopft die zierliche junge Frau dicke Brocken aus der Scheunenwand. Das Seminar sei auf jeden Fall viel anstrengender als gedacht, sagt sie, mache aber trotzdem Spaß.
"Man merkt, wie sich der Baustoff anfühlt"
Das bestätigt auch ihre Kommilitonin Maike Jungius. Sie steht unten vor der Scheune und ist schon damit beschäftigt, Lehm aufzutragen.
Lehm liegt wieder im Trend
Lehm ist einer der ältesten Baustoffe und ist inzwischen wieder stark im Kommen, sagt RWTH-Dozentin Frauke Zahl, die das Seminar zusammen mit einigen Museums-Handwerkern leitet. "Lehm ist sehr natürlich und hat super Eigenschaften, er nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Das ist heute wieder sehr gefragt. Und das vermitteln wir hier. Auch wenn das jetzt eigentlich auch Richtung Denkmalpflege geht."
Ein paar Meter weiter stehen zwei junge Männer und hacken schmale Scheite aus Eichenholz. Die werden später zusammen mit einem Geflecht aus Haselnussruten in das Fachwerk eingebaut und sollen die Lehmwände stabilisieren.
Es gibt auch mal Verletzungen
Das Holzhacken sieht gefährlich aus. Und das ist es offenbar auch: Kleinere Verletzungen gibt es bei diesem Seminar immer wieder - vor allem Blasen an den Händen, erzählt Museums-Maurer Johannes Zingsheim: "Aber die Finger sind noch alle drangeblieben - bis jetzt!“
Das Lehmbauseminar findet hier jedes Jahr statt. Und das ist auch für die Besucher des Freilichtmuseums interessant. Immer wieder bleiben einige stehen, schauen den Studenten über die Schulter.
Natürlich wird die Scheune nicht in zwei Wochen fertig. Aber darum geht es auch gar nicht, sagt Museumsarchitekt Volker Kirsch. Das Ganze sei vielmehr eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: "Die Studenten brauchen die Bescheinigung und das Museum will die Häuser repariert haben. Wenn man das zusammenbringen kann, ist das für alle ein Gewinn!"
Mehr über Lehmbauten:
Über das Thema berichten wir am 02.08.2023 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.