"In unserer Familie kriegt man Narben. Das Leben kratzt uns auf und wir ertragen das." Diese heftigen Worte richtet ein Vater in dem Kurzfilm "Kruste" an den 12-Jährigen Fabi. Dessen Familie hat traditionell Narben am Körper, also schlecht heilende Wunden. Nur Fabi hatte noch keine. Nachwuchs-Regisseur Jens Kevin Georg aus Gummersbach bekommt für diesen emotionalen Film heute einen Studenten-Oscar in London verliehen.
Ein Film über einen Außenseiter
Georg hat den Kurzfilm an der renommierten Uni Babelsberg in Potsdam realisiert, wo er auch studiert hat. Nachdem er heute den Preis in London abholt, arbeitet er an der Kölner Kunsthochschule für Medien weiter an seiner Masterarbeit. Dass der 30-Jährige zu den 12 Gewinnern aus über 2.600 Bewerbungen zählt, kann er selbst kaum fassen: Bislang hat er sich selbst als Außenseiter im Filmbusiness verstanden.
Und das passt auch zum Film: Fabi und seine kleine Schwester sollen in "Kruste" endlich eine Narbe bekommen, so wie alle anderen Familienmitglieder auch. Während seine Schwester bereitwillig auf eine von der Familie manipulierte Achterbahn steigt, um sich zu verletzen, zögert Fabi. Die Angst des Protagonisten vor dem Schmerz, der gleichzeitige Neid auf den Mut seiner Schwester und auch die Sorge um sie – all diese Emotionen vereint der 25-minütige Kurzfilm auf beeindruckende Weise.
"Kruste wurde als Außenseiter-Geschichte geschrieben", sagt Regisseur und Drehbuchautor Jens Kevin Georg. "Ewig habe ich mir eingeredet: Dir ist vollkommen egal, was andere über dich denken und sagen. Solange du konsequent du selbst bist, ist alles gut. Mein heimliches Bedürfnis nach Zugehörigkeit konnte ich mir lange gar nicht eingestehen. Mit Kruste wollte ich endlich ehrlicher zu mir sein und die Ambivalenzen zwischen Individualität und Gruppenzugehörigkeit nuancierter untersuchen."
Inspiration aus eigener Kindheit
Regisseur Georg hat an dem Film besonders der Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen und der persönlichen Bedeutung von Narben gereizt. "Ich fand einfach dieses Bild so spannend: Etwas, was eigentlich verletzend ist, als etwas darzustellen, was erstrebenswert ist, weil ich auch glaube, dass das ganz oft in unserer Gesellschaft so ist."
Schon früh hatte der Regisseur das Bild von einer Person vor Augen, die eine Narbe bekommt und von einer anderen, die eifersüchtig darauf ist. "Und dann habe ich darüber nachgedacht, woher dieses Bild kommt und musste sehr daran denken, wie ich meine erste Narbe bekommen habe. Das war beim Schlittschuhlaufen, wo sich einer meiner besten Freunde dazu entschlossen hat, mit seinem Schlittschuh in mein Schienbein zu treten."
Die Student Academy Awards, also die Oscars für Studierende, werden vom amerikanischen Branchenverband der Filmschaffenden bestimmt, der auch die Oscars verleiht. Eingereicht werden Filme von Filmstudierenden auf der ganzen Welt. Vier Kategorien gibt es: Experimentalfilm, Animation, Dokumentarfilm und Spielfilm.
Unsere Quellen:
- Interview mit Jens Kevin Georg (WDR 3)
- Filmuniversität Babelsberg
- Kurzfilm "Kruste"
Über dieses Thema berichten wir am 14. Oktober 2024 auch in der Lokalzeit im Radio auf WDR 2.