Iran-Experte: "Deutschland hätte das IZH früher schließen müssen"

Stand: 24.07.2024, 21:17 Uhr

Nach dem Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg: Politologe Ali Fathollah-Nejad wirft Deutschland im WDR-Interview eine "sehr, sehr zurückhaltende Iran-Politik" vor.

Seit Mittwoch sind das Islamische Zentrum in Hamburg und der dazugehörige Moschee-Verein verboten. Das teilte das Bundesinnenministerium am Mittwochvormittag mit. In Nordrhein-Westfalen und sieben weiteren Bundesländern wurden 53 Gebäude, die mit den IZH-Teilorganisationen in Verbindung stehen, durchsucht. Der Hintergrund: Verdacht auf Terrorismusunterstützung.

Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad ist Direktor des Think Tanks "Center for Middle East and Global Order" in Berlin. Im Interview mit WDR COSMO hat er über die Bedeutung des Islamischen Zentrums in Hamburg für Iran gesprochen - und warum aus seiner Sicht die deutsche Regierung damit so lange gewartet habe.

Groß-Razzia: Faeser verbietet Islamisches Zentrum Hamburg Aktuelle Stunde 24.07.2024 42:38 Min. UT Verfügbar bis 24.07.2026 WDR Von Sebastian Galle

Die schiitische Imam-Ali-Moschee, auch "Blaue Moschee" genannt, wurde bereits im November vergangenen Jahres untersucht. Der angeschlossene Verein verbreite laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) antisemitische und antiisraelische Hetze und habe Terrororganisationen wie die Hamas verherrlicht und die Hisbollah unterstützt.

WDR: Seit 30 Jahren beobachtet der Verfassungsschutz das Islamische Zentrum Hamburg. Es soll direkte Verbindungen zur iranischen Regierung geben. Welche Bedeutung hat dieses Zentrum für die iranische Regierung?

Razzia beim Islamischen Zentrum Hamburg | Bildquelle: ddp

Ali Fathollah-Nejad: Das Zentrum stellt einen Außenposten der Islamischen Republik dar. Der Leiter des Zentrums wurde vom obersten Führer der Islamischen Republik berufen, der sowohl der politische Führer des Landes als auch der religiöse Führer ist. Er vertritt sehr stark die Ideologie der Islamischen Republik, die extremistische Ideologie, den Export der sogenannten Islamischen Republik.

WDR: In der Begründung von Innenministerin Faeser wird ja ganz klar erwähnt: die Verherrlichung der Terrororganisation Hamas, die Unterstützung der Hisbollah, aggressiver Antisemitismus.

Fathollah-Nejad: Das gehört natürlich auch stark zur Ideologie des Iranischen Staates, also die Unterstützung der sogenannten Achse des Widerstands, also islamistische Organisationen einschließlich der Hamas und der Hisbollah. Und das Interessante ist, dass das Islamische Zentrum Hamburg eigentlich sehr stark und sehr lange unter dem Mantel des interreligiösen Dialogs agiert hat. Aber im Endeffekt werden Interessen des iranischen Regimes durchgesetzt. Und diese Interessen sollen in Deutschland verbreitet werden.

Islamisches Zentrum in Hamburg verboten COSMO 24.07.2024 04:35 Min. Verfügbar bis 24.07.2025 COSMO

WDR: Was ist denn dann mit der iranischen Revolutionsgarde, die ja auch im Ausland genau dafür zuständig ist, was dem IZH vorgeworfen wird: nämlich Terror. Warum wird sie nicht als Terrororganisation eingestuft?

Fathollah-Nejad: Mittlerweile wissen wir von Völkerrechtlern, dass der rechtliche Rahmen gegeben wäre. Es gab auch zuletzt in NRW Angriffe auf Synagogen. In dem Bezug hat ein Gericht in Düsseldorf suggeriert, dass eine iranische Terrororganisation damit in Verbindung steht. Aber der politische Wille fehlt für solche Einstufungen, weil wir in Europa noch ein sehr großes diplomatisches Engagement mit der Islamischen Republik haben. Da wird befürchtet, dass solch eine Terrorlistung das iranische Machtzentrum entmutigen würde, in solch einen diplomatischen Prozess zu gehen. Ich glaube, das ist auch nicht ganz richtig.

WDR: Der deutsche Botschafter ist von Iran einbestellt worden. Welche Auswirkungen hat das? Es sitzen ja auch noch deutsche Staatsangehörige, zum Beispiel als politische Gefangene, in iranischen Gefängnissen.

Fathollah-Nejad: Die Einbestellung zeigt, dass das, was heute passiert ist, ein Dorn im Auge des iranischen Regimes ist. Die iranisch-europäischen Beziehungen sind laut Außenbeauftragtem in der Europäischen Union auf einem Tiefpunkt. Aber gleichzeitig sehen wir, dass die deutsche und europäische Iran-Politik der letzten Jahre sehr, sehr zurückhaltend war. Deutschland hätte das Islamische Zentrum Hamburg sehr, sehr viel früher schließen können. Aber Sie sehen, dass es gegenüber dem Regime im Iran doch eine erstaunliche Zurückhaltung gibt.

Das Interview führte Claudia D'Avino bei WDR COSMO. Für den Online-Beitrag wurde das Hörfunk-Interview an einigen Stellen gekürzt.