"Wessi-Ossi-Momente": Der lange Weg zur Deutschen Einheit

Stand: 02.10.2024, 17:54 Uhr

Potsdam und Bonn waren schon vor der Wiedervereinigung Partnerstädte. In vielen Begegnungen sind sich "Ossis" und "Wessis" dabei nähergekommen.

Dass BRD und DDR zwei verschiedene Staaten sind, ist seit 34 Jahren Geschichte. Dennoch wird die Frage, ob Ost- und Westdeutschland seitdem wirklich zu einem Land zusammengewachsen sind, immer wieder leidenschaftlich diskutiert. Ganze Generationen wurden schließlich auf völlig unterschiedliche Weise sozialisiert.

Bei der Annäherung geholfen haben sicherlich auch die vielen Städtepartnerschaften, die zwischen Ost- und Westdeutschen Kommunen inzwischen entstanden sind. Einige davon gab es sogar schon vor der Wiedervereinigung. So auch die Freundschaft zwischen Bonn und Potsdam. Der Verein "Potsdam-Club Bonn" ging 1988 eine offizielle Städtepartnerschaft mit dem damaligen DDR-Verein "Bonn-Club Potsdam" ein.

"Wessi-Ossi-Momente gibt es bis heute"

Zum Tag der Deutschen Einheit hat die Bonner Oberbürgermeisterin beide Vereine zu einem Austausch eingeladen. Vorab berichteten die beiden Vereinsvorsitzenden am Mittwoch im WDR von ihren Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten Ost-West-Städtepartnerschaft.

Und ja, auch sie beide stellen fest, dass es bis heute sogenannte "Wessi-Ossi-Momente" bei ihren Begegnungen gebe. "Die wird's auch weiterhin geben", sagt Jeannette Wachholz, Vorsitzende aus Potsdam.

"Da müssen noch viele Gespräche geführt werden, um das jeweilige Verständnis für die andere Seite zu entwickeln." Jeannette Wachholz, Vorsitzende des Vereins "Bonn-Club Potsdam"

Wobei sich die Menschen privat schon sehr weit einander angenähert hätten, sagt Wachholz. Die Unterschiede lägen vielmehr auf "politischer Ebene": Nach wie vor unterschiedliche Tarife in vielen Branchen, unterschiedliche Renten - "so viele Jahre nach der Wiedervereinigung".

Jeannette Wachholz, Vorsitzende des "Bonn-Club Potsdam" | Bildquelle: Walter Christian

Manchmal fehle es aber auch noch an "Akzeptanz für individuelle Lebenswege", so die Potsdamerin: Nicht jeder in Ostdeutschland aufgewachsene Mensch habe den von ihm oder ihr erträumten Lebensweg einschlagen können. "Mancher, der studieren wollte, bekam keine Möglichkeit dazu."

Städtefreundschaft zwischen Potsdam und Bonn WDR Studios NRW 02.10.2024 10:52 Min. Verfügbar bis 02.10.2026 WDR Online

"Ostdeutsche fühlen sich als Ostdeutsche"

Walter Christian, Vorsitzender des "Potsdam-Club Bonn" | Bildquelle: Walter Christian

Auch Walter Christian, Vorsitzender des "Potsdam-Club Bonn", erinnert sich an "Wessi-Ossi-Momente". Bei einem Gespräch, zu dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2020 eingeladen hatte, kamen jeweils 20 Ostdeutsche und Westdeutsche, die etwa zur Zeit der Wiedervereinigung, also um 1989/90 herum, geboren wurden. "In der Runde wurde sehr deutlich, dass junge Ostdeutsche das Bewusstsein haben, dass sie zu Ostdeutschland gehören", sagt Christian, "während Westdeutsche sagten, durch die Wiedervereinigung habe sich bei ihnen nichts geändert".

"Die jungen Ostdeutschen sprachen von den Brüchen, die in ihren Familien durch Mauerfall, Wiedervereinigung und die neue wirtschaftliche Form entstanden sind." Walter Christian, Vorsitzender des "Potsdam-Club Bonn"

Die Teilnehmer aus dem Westen hätten dagegen gesagt: "Ich bin Deutscher - dass ich Westdeutscher bin, reflektiere ich gar nicht."

Nach Ausbau Ost: "Neue" Bundesländer

Dass bis heute oft von den "neuen" Bundesländern die Rede ist, klinge für sie gar nicht so falsch, sagt Jeanette Wachholtz: "Ein bisschen fühlt man sich schon so." Seit der Wiedervereinigung sei "ziemlich viel Geld" aus dem Westen in Straßenbau oder Wohnungsbau im Osten geflossen.

"Im Osten wurde viel Aufbau geleistet: Vielen Bürgern im Ostteil ist gar nicht so bewusst, was da an Unterstützung gelaufen ist." Jeannette Wachholz, Vorsitzende des Vereins "Bonn-Club Potsdam"

Aber die Unterschiede zwischen Ost und West würden mit jeder Generation ein bisschen weniger, ist sich Wacholz sicher. Und schließlich gibt es auch etwas Verbindendes: Mit dem Wiederaufbau habe die Nachkriegsgeneration die größte Aufgabe gehabt – im Osten genauso wie im Westen.