Warum Frauen in Gelsenkirchen früher Mutter werden als in Düsseldorf

Stand: 17.06.2024, 17:14 Uhr

Im Jahr 2023 bekamen Frauen in NRW ihr erstes Kind im Schnitt mit 30,3 Jahren. Aber die Unterschiede zwischen den Städten sind teils groß. Bevölkerungsforscher Martin Bujard erklärt die Gründe.

Der Trend zum immer späteren Kinderkriegen hat sich in Nordrhein-Westfalen nicht fortgesetzt. 2023 bekamen Frauen ihr erstes Kind im Durchschnitt mit 30,3 Jahren – und damit im gleichen Alter wie im Vorjahr, teilte das Statistische Landesamt am Montag mit. Vor zehn Jahren waren Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes mit 29,3 Jahren durchschnittlich noch ein Jahr jünger.

Weniger Geburten und Hochzeiten in NRW 00:41 Min. Verfügbar bis 31.05.2026

NRW ist aber nicht gleich NRW, es zeigen sich teils deutliche regionale Unterschiede: Die sind aber nicht zwischen Stadt und Land zu sehen, sondern vor allem zwischen Städten. Am jüngsten waren Mütter 2023 bei der Geburt ihres ersten Kindes in Gelsenkirchen mit 28,2 Jahren, am ältesten in Düsseldorf mit 32,2 Jahren.

Regionale Unterschiede haben mit Bildung zu tun

Woran das liegt? Der naheliegende Gedanke: an der Wirtschaftskraft der Städte oder Regionen. Zumal neben Spitzenreiter Düsseldorf (32,2 Jahre) auch Frauen aus Köln (31,9), Münster (31,8) und Bonn (31,7) verhältnismäßig spät ihr erstes Kind bekommen. Am anderen Ende der Liste stehen neben Gelsenkirchen (28,2) Duisburg (28,8) und Hagen (28,6) – also Städte mit einer höheren Arbeitslosenquote.

Martin Bujard nennt als Hauptgrund allerdings etwas anderes: "Es ist nicht Arm versus Reich. Regionale Unterschiede haben sehr viel mit Bildung zu tun, Akademikerinnen bekommen ihr erstes Kind im Durchschnitt mit 33 Jahren, viele auch erst mit Ende 30", sagt der Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.

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Der Professor forscht seit Jahren zur Geburtenentwicklung in Deutschland. Und hat festgestellt, dass das Alter bei der Erstgeburt "seit den 1970er-Jahren kontinuierlich ansteigt". Vor etwa einem halben Jahrhundert bekamen "Frauen in Westdeutschland ihr erstes Kind im Schnitt mit 25, 26 Jahren, in der DDR sogar mit 23 Jahren. Heute liegt der Schnitt deutschlandweit bei über 30", sagt Bujard.

Das liege einerseits daran, dass mehr sichere Verhütungsmittel genutzt werden, "man kann Geburten heute sehr gut planen", sagt der Forscher. "Andererseits wird der Kinderwunsch immer weiter aufgeschoben, weil auch der Berufseinstieg in eine dauerhafte Beschäftigung immer später stattfindet.

"Heute warten Paare mit dem ersten Kind oft ab, bis sie beruflich angekommen sind und wissen, dass sie erst mal nicht umziehen müssen." Martin Burjard, Bevölkerungsforscher

Das sei in allen Regionen Deutschlands zu beobachten, und dennoch gibt es teils große Unterschiede wie in NRW. Aber das habe eben nur auf den zweiten Blick mit Geld zu tun. "Zwar sind Städte mit vielen Akademikern auch reicher", sagt Bujard, "aber nicht das Geld beeinflusst den Zeitpunkt für Geburten, sondern Anforderungen der Akademikerkarriere."

Später im Beruf, später Mutter

Folglich bekämen Frauen in Universitätsstädten im Schnitt später ihr erstes Kind, weil sie eben erst später in den Beruf wechseln. "Mit einem Realschulabschluss und einer Lehre kann man mit Anfang 20 schon eine sichere Stelle haben, mit einem Hochschulstudium oft erst mit über 30", sagt Martin Bujard.

Hinzu käme, dass Akademikerinnen in den zehn bis 15 Jahren nach dem Studium große Einkommenszuwächse erlebten. "Wenn sie sich dann für Kinder entscheiden, kann die Karriere stagnieren." Also würden viele den Kinderwunsch immer weiter nach hinten schieben.

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