Talentscouts: Wie das Land mehr junge Begabte fördern will

Stand: 11.09.2023, 17:10 Uhr

Wer in einem sozialen Brennpunkt aufwächst, kommt selten auf die Idee, Anwalt oder Ärztin zu werden, während Arztkinder eher selten in Ausbildungsberufe gehen. Talentscouts sollen helfen, Begabungen zu finden.

Von Ute Schyns

Die NRW-Landesregierung will begabte Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien auf ihrem Weg in Ausbildung oder Studium besser unterstützen. Deshalb hat NRW-Wissenschaftsministerium Ina Brandes am Montag angekündigt, dass sogenannte Talent-Scouting-Programm auszuweiten. Ziel des Programms ist es, vor allem junge Menschen aus sozial schwächeren Familien zu ermutigen, dass sie ein Studium aufnehmen oder eine Ausbildung machen.

Was ist das Talent-Scouting-Programm?

Ziel des Talent-Scouting-Programms ist es, junge Menschen bei ihrer Berufs- oder Studienorientierung zu begleiten - unabhängig vom Elternhaus. Denn beim Bildungsweg spielt in Deutschland das Elternhaus und der familiäre Hintergrund oft eine große Rolle. Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien fehlt zu Hause häufig die nötige Unterstützung, um sich für ein Studium zu entscheiden. Während es umgekehrt Schülerinnen und Schüler aus Akademikerfamilien schwer fällt, eine Ausbildung zu machen.

Diese Muster versuchen die Talent-Scouts aufzubrechen, in dem sie die Jugendlichen ermutigen, ihren beruflichen Weg ihren Neigungen entsprechend zu wählen. Die Scouts stehen ihren „Talenten“ von der Oberstufe an und auch während Studium und Ausbildung beratend zur Seite.

Wie arbeiten die Talent-Scouts?

Die Scouts gehen in die Oberstufen der weiterführenden Schulen – vor allem an die Gesamtschulen, Gymnasien und Berufskollegs. Dort setzt das Talent-Scouting-Programm an, das dann über Jahre weiterlaufen kann. Der 19-Jährige Jura-Student Berzan Gök ist überzeugt, dass er es ohne die Hilfe aus dem Programm nicht an die Uni geschafft hätte: "Die Unterstützung zu Hause war nicht da. Die Lehrer an der Schule hatten immer sehr viel zu tun. Im Talent-Scouting hattest Du immer einen Ort, wo Du über Dich selbst und Deine Gefühle und Deine Zukunft sprechen kannst." Berzan ist in seiner Familie der erste, der studiert.

Die Talentscouts besprechen mit den jungen Menschen, welche beruflichen Möglichkeiten sie haben. Die Beratungstermine können je nach Bedarf zum Beispiel einmal im Monat stattfinden und auch mal unkompliziert per Whatsapp laufen. "Die Zusammenarbeit zwischen Talent-Scout und Talent ist total auf Augenhöhe und wertschätzend", sagt Hilke Birnstiel, Leiterin des NRW- Zentrums für Talentförderung der Westfälischen Hochschule. "Ich glaube, dass ist das, was uns auszeichnet."

Die Scouts versuchen den jungen Menschen aber nicht nur Mut bei der Berufswahl zu machen. Sondern sie zeigen auf, wie sie Studium oder Ausbildung finanzieren können und welche Stipendien oder Fördermöglichkeiten es gibt.

Wie finden die Talent-Scouts ihre Talente?

Die Talent-Scouts stellen sich und das Programm an den Schulen im Unterricht vor. Teilweise kommen die jungen Leute dann auf die Scouts zu, tragen sich in Listen ein, die im Klassenzimmer ausliegen. Oft schlagen die Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler für das Programm vor. Dabei kommt es nicht nur auf Noten oder Begabung an, sondern auch ob sich die Jugendliche ehrenamtlich engagieren oder außerhalb der Schule Besonders leisten. Die Scouts selber werden von den Hochschulen bezahlt, die an dem Programm teilnehmen.

Wie erfolgreich ist das Programm bisher gewesen?

Eine größere wissenschaftliche Studie dazu läuft zurzeit noch. Aber die Leiterin des NRW Zentrums für Talentförderung. Hilde Birnstiel, verweist auf Studien, die zeigen, dass das Programm die Chancenungleichheit verringere. Danach würden Kinder aus Nicht-Akademiker Familien dadurch häufiger studieren, während Kinder aus Akademiker-Familien öfters den Mut fassen, ein Handwerk erlernen. Das Talent-Scouting-Programm wird seit 2014 vom Wissenschaftsministerium NRW gefördert. Die bisher 70 Talentscouts in NRW haben 40.000 Schüler begleitet oder begleiten sie noch. Drei Viertel davon kommen aus Nicht-Akademiker Familien und die Hälfte habe einen Migrationshintergrund.

Wie soll das Programm ausgeweitet werden?

Die Zahl der Scouts soll nun auf 100 aufgestockt werden. Außerdem sollen deutlich mehr Hochschulen und Schulen an dem Programm teil. Die Zahl der teilnehmenden Hochschulen steigt auf 23 Partnerhochschulen. Und auch die Zahl der Kooperationsschulen in NRW steigt: von 400 auf 600. Außerdem gibt es mehr Geld für das Programm. NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes hat angekündigt, dass ab 2024 jährlich rund 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Über das Thema berichtet der WDR am 11.09.23 auch im Westblick auf WDR 5.