Kommentar: Der neue Messer-Populismus der SPD

Stand: 05.05.2023, 13:58 Uhr

Die SPD hat im Landtag über die Messerattacken vom ersten Maiwochende debattieren lassen. Dabei treibt sie die Landesregierung in die Defensive. Aber zu welchem Preis?

Von Christoph Ullrich

Wer sagt so etwas in einem deutschen Parlament? Also dass die Messerattacken vom Wochenende eine "derartige Massierung schwerster Verbrechen" seien, die einzig an die Kölner Silvesternacht erinnerten. Oder, dass es "derzeit wenig hilft, wenn auf statistische Entwicklungen geschaut wird", weil man eher auf das Sicherheitsgefühl der Menschen achten müsse. Das kommt in der Regel von der AfD, wenn die - so auch im NRW-Landtag - der regierenden Politik vorwirft, das Land vor die Wand zu fahren. Gewalt an jeder Ecke, Menschen in Angst und Schrecken - das ist der Sound und das (oft erfolgreiche) Geschäftsmodell der Rechtspopulisten.

Subjektives Empfinden vor Statistiken

Diese Aussagen stammen aber nicht von der AfD. Sie kommen von Andreas Bialas, einem SPD-Landtagsabgeordneten. Er sprach für die größte Oppositionspartei in der Debatte über die Messerattacken. Die Aktuelle Stunde hatten die Sozialdemokraten selber beantragt, weil das "subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen in außerordentlichem Maße" beeinträchtigt sei.

Die Partei weiß also, was sie da tut. Die Faktenlage ist nämlich klar: Im Vergleich zur Zeit vor Corona ist die Zahl der registrierten Messerattacken rückläufig. CDU-Innenminister Herbert Reul benennt das Problem seit Jahren, auch er ist in der Debatte nicht selten frei von Populismus und Vereinfachung. Jedoch kann er auf dem Papier vorweisen, dass es besser läuft, seit er sich dem Problem der Messerattacken angenommen hat. Aber darum geht es nicht.

Hoher Preis für Regierung in der Defensive

Das SPD-Ziel war es, die Regierung in die Defensive zu kriegen und die vorhandenen Unterschiede zwischen CDU und Grünen deutlich zu machen. Das ist den Sozialdemokraten gelungen. Wenn selbst gestandene CDU-Hardliner wie Gregor Golland nicht mehr wissen, was sie sagen sollen, von "Law and Order vom Feinsten" sprechen, was sie da von Links hören durften und selbst Herbert Reul zur Differenzierung mahnt, dann hat die SPD handwerklich viel erreicht.

Nach Außen sieht dann auch die Grüne Rednerin Julia Höller wie eine Verharmloserin aus, wenn sie die Fakten benennt und von rückläufigen Zahlen spricht und einer vielschichtigen Problemlage. Wie gesagt: So funktioniert Populismus und er ist Teil des politischen Handwerks. Die SPD wird sich nur die Frage stellen müssen, welcher Preis dafür fällig wird, dass sie jetzt - zumindest rhetorisch - in der Innenpolitik deutlich nach Rechts gerückt ist.

Über das Thema berichten wir auch im WDR 5 Westblick und in WDR aktuell.