Rheinisches Revier: Hat die Landesregierung einen Plan?

Stand: 01.02.2024, 15:18 Uhr

Was wird aus dem rheinischen Revier, wenn 2030 die Bagger abziehen? Keiner fühle sich richtig verantwortlich, kritisiert die SPD im Landtag - und hat nun der Landesregierung 168 Fragen gestellt.

Von Nina Magoley

Dass NRW schneller als ursprünglich geplant, aus der Braunkohle aussteigen will, steht schon seit Oktober 2022 fest. Damals hatten sich Land, Bund und RWE darauf verständigt, den Ausstieg von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Für das rheinische Revier, wo der Tagebau ein prägender Faktor im Leben der Menschen ist, bedeutet dass eine immense Veränderung: Mehr als 14.000 Arbeitsplätze gehen verloren, in anderen Branchen entstehen neue, gigantische Mondlandschaften bleiben zurück.

14.000 Arbeitsplätze gehen verloren

Betroffen sind die Bewohner vieler kleinerer und größerer Orte, von Bergheim, Bedburg oder Elsdorf bis Frechen, Jülich, und Mönchengladbach. Die Landesregierung hat einen Strukturwandel für die Region angekündigt, der Menschen in neue Jobs bringen soll - niemand solle durch das Ende der Braunkohle arbeitslos werden. Die Rede ist vom Ausbau des Tourismus in der Region und von Bedarfen in der Pflege.

Mehrere Gremien mit Namen wie "Taskforce Sonderplanungszone Rheinisches Revier", "Perspektive.Struktur.Wandel" oder "Zukunftsagentur Rheinisches Revier" sollen den Umwandlungsprozess begleiten und Unternehmen dabei helfen, sich in der Region niederzulassen.

Wüst: "Keiner darf ins Bergfreie fallen"

Im Mai 2023 unterschrieben dazu NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Vertreter der Region den "Reviervertrag 2.0". Sogar Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war der feierlichen Zeremonie in Mönchengladbach per Video zugeschaltet. Der Strukturwandel brauche "mehr Tempo", sagte Wüst damals, keiner der betroffenen Beschäftigten dürfe "ins Bergfreie fallen".

SPD stellt 168 Fragen

Ein Jahr später stelle sich die Frage, "wo eine solche Beschleunigung stattgefunden haben soll", schreibt die SPD-Landtagsfraktion nun in einer Großen Anfrage an die Landesregierung.

Nicht weniger als 168 Fragen stellt die Oppositionspartei darin an die Koalition aus CDU und Grünen. Beginnend damit, wer in der Landesregierung eigentlich zuständig sei für den Strukturwandel, geht es über Fragen zu den Flächen, die frei werden, zu möglichen neuen Gewerbegebieten und Wohnungen oder zur Zukunft der "geretteten Dörfer" auch um Verkehrsführung, Förderungen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die bis dato im Braunkohlesektor Beschäftigten. Auch über die Ergebnisse der von der Landesregierung einberufenen "Taskforce Sonderplanungszone Rheinisches Revier" verlangt die SPD Auskunft.

SPD fordert mehr Tempo beim Strukturwandel WDR 5 Westblick - aktuell 01.02.2024 03:17 Min. Verfügbar bis 31.01.2025 WDR 5

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Man unterstütze den früheren Ausstieg aus der Braunkohle, stellte Lena Teschlade, SPD-Fraktionssprecherin für Arbeit und Soziales, klar - allerdings unter der Bedingung, dass die Landesregierung auch ein schnelleres Konzept für den Strukturwandel und für Energiesicherheit entwickele. Mehr als ein Jahr nach dem Beschluss zum Ausstieg sei "nicht klar, wie die Landesregierung sich das vorstellt". Hunderte Projekte seien noch im Verfahren, für viele interessierte Unternehmen fehle die Planungssicherheit, einige hätten sich bereits zurückgezogen.

"Ein Jahr und relativ wenig Fakten"

Als Beispiel nannte Teschlade die Firma Hodforming aus Mechernich, die Leichtmetall für die Bauindustrie herstellt und dabei wenig CO2 produziert. 1.200 Arbeitsplätze könnte das Unternehmen in der Region schaffen, bekomme aber seit Monaten "keine Klarheit darüber, wie es weiter geht". Auch beim geplanten Gewerbepark in Eschweiler, wo 4.500 Arbeitsplätze entstehen könnten, bekämen die angeschlossenen Kommunen keine Antworten dazu, wie es um das Projekt steht. Ein Jahr ist vergangen, "und wir sehen relativ wenige Fakten, was die Beschleunigung angeht", so Teschlade.

Auch kritisiert die SPD, dass die Landesregierung sich eher auf die Branchen Tourismus und Pflege fokussiere und immer wieder auf den Fachkräftmangel verweise, der die Frage nach neuen Arbeitsplätzen lösen würde. "Die Leute wollen aber keine Helferinnentätigkeiten, sondern Jobs, die so gut und tarifgebunden sind, wie vorher in der Braunkohle." In Tourismus und Pflege seien in der Region bislang nur wenige unterwegs gewesen.

Zwar sei die Bundesagentur für Arbeit mit eingebunden, doch gebe es keinen Zeit-Maßnahmenplan, "keine Betriebslandkarte", wo welche Qualifikationen vorhanden sind. Geld für Umschulungen sei bewilligt, "aber das müsste auch genutzt werden".

Im Osten läuft es besser

Kritik an mangelndem Tempo beim Strukturwandel in der Braunkohleregion kommt nicht nur von der SPD. Die Bezirksregierung Köln beispielsweise beklagt seit Längerem zu viele "unverbindliche Absichtserklärungen". Man brauche ausreichend fachlich qualifiziertes Personal in allen betroffenen Behörden. Der Bürgermeister von Bedburg, Sascha Solbach (SPD), hatte im vergangenen November kritisiert, dass große Flächen im Revier für die Kommunen aufgrund der ungeklärten rechtlichen Lage bislang nicht entwickelbar seien.

Auch IHK und Unternehmer NRW forderten bereits mehr Tempo, damit eine Umwandlung des Rheinischen Reviers auch zum früheren Zeitpunkt gelinge.

SPD-Sprecherin Teschlade verglich die Situation mit dem ehemaligen Braunkohlerevier Lausitz in Ostdeutschland: Dort gebe es in der Staatskanzlei einen "Revierbeauftragten" als Ansprechpartner zu jedem Thema - und als direkten Draht zum Ministerpräsidenten Brandenburgs. "Das fehlt in NRW, keiner fühlt sich verantwortlich."