Mehr als 15 Monate ist es her, dass die Schwarz-Grüne Landesregierung feierlich verkündete: Der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen wird auf das Jahr 2030 vorgezogen. Doch nun mehren sich Stimmen, die dieses Ziel in Gefahr sehen. Die Gründe: Keine verbindliche Kraftwerkstrategie seitens der Politik und der Ausbau erneuerbaren Energien kommt nicht hinterher.
„Das ist mittlerweile eine sehr ambitionierte Planung, weil wir seit dieser Ankündigung wichtige Zeit verloren haben beim Aufbau von alternativer gesicherter Leistung“, sagt Sven Becker, Geschäftsführer der Trianel GmbH.
Sein Unternehmen betreibt ein Gaskraftwerk in Hamm. Dieses gilt als ein Baustein, damit die Energieversorgung in NRW auch nach dem Kohleausstieg sichergestellt werden kann. Vor allem dann, wenn erneuerbare Energiequellen nicht genug Strom liefern. Für diese Zeitpunkte, sogenannte Dunkelphasen, sind Gaskraftwerke als eine Art Reserve vorgesehen.
Keine Kraftwerkstrategie
Trianel würde das Kraftwerk in Hamm gerne erweitern, um einen voll wasserstofffähigen Block. Doch das ist teuer. Investitionen von 800 Millionen Euro kommen auf das Unternehmen zu. Und der Bau dauert ungefähr sechs Jahre.
Das Unternehmen fordert daher: Planungssicherheit und verbindliche Zusagen von der Politik. Und das möglichst schnell. Denn sollen die Gaskraftwerke bis 2030 stehen, müsste mit dem Bau besser heute als morgen begonnen werden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B‘90/Grüne) hatte schon im letzten Sommer eine neue Kraftwerksstrategie vorlegen wollen. Passiert ist bislang aber nichts. Auf WDR-Anfrage heißt es aus seinem Ministerium, die Bundesregierung erarbeite derzeit noch die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen.
Wirtschaftsstandort braucht Sicherheit
Für die Wirtschaft in NRW rennt die Zeit. Sie ächzt jetzt schon unter den hohen Energiekosten – gerade im Vergleich zu anderen Ländern. Energieintensive Investitionen würden mittlerweile eher im Ausland als in Deutschland getätigt werden, sagt Arndt Kirchhoff, Präsident von Unternehmer NRW.
„Ich kenne aus den letzten Jahren nicht eine Investition bei energieintensiven Anlagen in NRW, weil es diese große Unsicherheit gibt“, sagt er. Damit der Strompreis langfristig wider sinkt, brauche es einen Ausbau alternativer Kapazitäten.
Doch nicht nur bei den Gaskraftwerken hakt es. Auch der dringend benötigte Ausbau Erneuerbarer Energien ist längst nicht so weit wie er bis 2030 sein müsste.
Ausbau Erneuerbarer Energien zu langsam
Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln hat berechnet, wie sich der Ausbau anderer Energiequellen in NRW entwickeln sollte, wenn ab 2030 keine Kohle mehr zur Verfügung steht.
Die Leistung von Photovoltaik-Anlagen müsste sich demnach fast Verfünffachen. Aktuell liegt sie bei 7,5 Gigawatt. Ähnlich sieht es bei der Windkraft aus: Hier sind es derzeit 6,8 Gigawatt. In sechs Jahren müsste es mehr als das Doppelte sein.
Viel Luft nach oben. Und je mehr Zeit verstreicht, desto wahrscheinlicher wird, dass Braunkohle-Kraftwerke in NRW auch über 2030 hinaus als Reserve bereitgehalten werden. Dieses Hintertürchen steht so auch in der Vereinbarung, die vor 15 Monaten als großer Meilenstein beim Klimaschutz gefeiert wurde.
Über dieses Thema berichten wir am 21. Januar 2024 in einem Westpol Spezial im WDR Fernsehen 19:30 Uhr.