"Die Zukunft ist pink", meint Jochen Ott vor dem Parteitag in Münster. Damit verlangt er keine komplette Abkehr vom klassischen Rot der Sozialdemokratie. Der Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag spielt lediglich auf einen ähnlich lautenden Peter-Fox-Song an, der eine positive Zukunft im echten Leben zeichnet.
Mit Peter Fox in die Realität
Also einer Realität draußen auf der Straße, bei echten Leuten, jenseits der politischen Diskurs-Zirkel und "Bubbles" rund um Berliner und Düsseldorfer Parlamentsviertel. Ott ist seit Mai der Nachfolger des zurückgetretenen Thomas Kutschaty, er war das erste Gesicht der "neuen SPD", wie man intern - nach turbulenten Monaten - von der Zeit nach dem Parteitag in Münster spricht.
Zwei weitere Gesichter für diesen Neuanfang sollen am Samstag folgen: Mit Achim Post und Sarah Philipp soll erstmals eine Doppelspitze die SPD an Rhein, Ruhr und Lippe anführen. Sie wollen die Partei wieder aufrichten, die einst synonym für NRW stand, sich aber immer weiter von den Zeiten entfernt, als es bei Landtagswahlen nur um die Frage ging, wie nah die Sozialdemokraten an die 40-Prozent-Marke kommen.
Seit dem Verlust der Staatskanzlei bei der Landtagswahl 2017 ist der SPD jedoch die Gewissheit der eigenen Stärke abhanden gekommen. Schlimmer noch: Beim letzten Urnengang im Mai 2022 schaffte die Partei keine 27 Prozent, die CDU gewann erneut. Trotzdem gab es ein gewisses "Weiter so". Spitzenkandidat Kutschaty machte als Partei und Landtags-Fraktionschef weiter und man analysierte die Gründe der Wahlschlappe über Monate. Erst als im März 2023 ein Personalvorschlag Kutschatys scheiterte, erkannte dieser, dass seine Zeit vorüber war: Er trat zurück.
Teamlösung statt klare Spitze
Das ist aber nur die eine Hälfte der Wahrheit. Zu der anderen gehört auch, dass die meisten in der Partei weiter gemacht haben, als gäbe es nichts Großes aufzuholen. Mangels Alternativen zu Kutschaty und auch wegen einer inhaltlichen Ratlosigkeit, warum man so viel Zustimmung an die Nichtwählerschaft verloren hatte, ging alles seinen Gang weiter Richtung noch schlechterer Zustimmungswerte. So wirkte es auf manche Außenstehende. Mit Kutschatys Rücktritt war man jedoch gezwungen, sich inhaltlich und personell zu verändern.
Fortan hieß es, man wolle erst einmal im Team antreten. Post, Philipp und Ott - keiner von Ihnen hat bisher Anstalten gemacht, eine Führungsrolle in diesem Team einzunehmen. Im Gegenteil: Sie hüten sich vor zu großen eigenen Ansprüchen.
Wie auch Marc Herter, der Interimsvorsitzende nach Kutschatys Rücktritt. Er will wieder stellvertretender Parteichef werden. Er sieht seine Aufgabe in Hamm als dortiger Oberbürgermeister, obwohl Herter auch als ehrgeizig gilt und er für eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2027 nicht aus dem Rennen ist.
Wobei die meisten in der alten und kommenden SPD-Spitze bei solchen Fragen abwinken, wer irgendwann die CDU im Land herausfordern könnte. Wichtig sei, erst einmal ein inhaltliches Angebot gegen die schwarz-grüne Landesregierung zu sein. Sarah Philipp sagt, es "geht darum, den Bereich Arbeit und Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen, um gute Jobs, gute Bezahlung, da auch Seite an Seite mit den Gewerkschaften". Zudem müsse man Partei für die Familien im Land sein, sagt die designierte Co-Chefin aus Duisburg.
"Kein Mensch versteht Transformation"
"Wer zwischen 30.000 und 100.000 Euro verdient, sich jeden Tag an die Regeln hält, arbeiten geht, um seiner Familie ein gutes Leben zu erfüllen", das seien die Menschen, "für die wir jeden Tag antreten müssen", ergänzt Jochen Ott im Gespräch mit dem WDR. Dann gehe es auch den Menschen, die mehr oder weniger verdienen, besser.
Dazu müsse man mehr raus zu den Leuten, auch wieder mehr Alltagssprache sprechen. "Kein Mensch versteht Worte wie Transformation", so Ott. Man müsse so reden, dass man verstanden werde. Dass Ott selber - wie aber auch Philipp und Post - genau an dieser Stelle noch etwas Nachholbedarf haben, zeigt sich an einem anderen politischen Begriff. Alle drei sprechen von "Kraftzentren", wenn sie über die Vielfalt der Mandatsträger und Posten sprechen.
Bekenntnis zum Industriestrompreis
Wo es schon kurz nach der Wahl zum neuen SPD-Chef zum Dissens mit dem eigenen Bundeskanzler kommen kann, skizziert derweil Achim Post. "Ich bin für einen Industriestrompreis", sagt der designierte Co-Landeschef. Er hoffe Olaf Scholz noch zu überzeugen, der unlängst auf dem NRW-Unternehmertag dieser Forderung eine Absage erteilte. Was Achim Post aber nicht hindert. Entstammt der Ostwestfale doch einem dieser gewichtigen "SPD-Kraftzentren" - er war lange Jahre Chef der NRW-Abgeordneten im Bundestag. Dem SPD-Pendant zum "CSU-Landesgruppenchef" in der Unions-Bundestagsfraktion: Nicht jedem bekannt, aber mächtig.
Den Posten des Landesgruppenchefs in der Berliner SPD-Fraktion hat er für das neue Amt aufgegeben, aber weniger Gestaltungsmöglichkeiten sehe er deshalb nicht. "Als Vorsitzender des größten Landesverbandes ist es nicht anders, auch da wollen wir großen Einfluss ausüben", erklärt Post.
Wenn am Samstag also alles glatt läuft, dann steht an der Spitze der NRW-SPD mit den Parteichefs Philipp und Post sowie dem Landtags-Oppositionsführer Ott bald eine Troika. Ihr Ziel ist dabei klar: die zuletzt am Boden liegende Partei aus der Selbstbeschäftigung führen, welche die vergangenen sechs SPD-Jahre geprägt hat.