Mindestens achtmal hat sich Herbert Reul (CDU) seit Februar 2022 mit dem Rechtsanwalt Claus Brockhaus getroffen. Kurz nach dem ersten persönlichen Kennenlernen im Innenminsterium gingen bei Reuls CDU-Kreisverband Rhein-Berg drei Spenden in Höhe von 9.990 Euro ein. Eine von Claus Brockhaus persönlich, zwei von mit ihm verbundenen Unternehmen. Knapp 30.000 Euro also in drei Tranchen, jeweils knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro.
Wie Reul heute im Innenausschuss des Landtags erstmals offenlegte, gingen alle drei Spenden am gleichen Tag ein, kurz vor der Landtagswahl 2022. Bereits zuvor hatte die CDU Rheinisch-Bergischer Kreis öffentlich gemacht, dass das Geld von Brockhaus gezielt zur Unterstützung des Wahlkampfs von Herbert Reul gedacht war.
Am 17.April 2024 wurde Brockhaus bei einer bundesweiten Razzia gegen einen mutmaßlichen Schleuserring festgenommen. Aus der U-Haft wurde der Rechtsanwalt aus Frechen inzwischen unter Auflagen entlassen. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Johannes Dähnert, einem Rechtsanwalt aus Köln, gilt er bei den Ermittlern als Kopf einer Schleuserbande, die reichen Ausländern aus China und dem Oman auf illegale Weise Aufenthaltstitel besorgt haben soll.
Die Vermittlung einer Aufenthaltserlaubnis soll bis zu 360.000 Euro gekostet haben. Zum Kreis der Beschuldigten zählen inzwischen mindestens vier Politiker: zwei CDU-Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis, der Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn, ebenfalls CDU, und dessen ehemaliger SPD-Gegenkandidat und spätere Referatsleiter im Kreis Düren, Jens Bröker.
SPD: Sind Termine beim Innenminister käuflich?
Die Opposition im Landtag sieht durch die Spenden und Kontakte des Ministers mit Brockhaus politischen Aufklärungsbedarf und hatte deshalb eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. SPD-Innenpolitikerin Christina Kampmann warf Fragen nach der Integrität des Ministers auf: "Es entsteht der Eindruck, Termine beim Innenminister seien käuflich." Derart häufige Treffen mit einem Spender, teilweise im Ministerium, gehörten nicht zur politischen Routine eines Innenministers.
Reul wehrte sich gegen derartige "Unterstellungen". Die Wahlkampf-Spenden seien "niemals Gegenstand der Gespräche" mit Brockhaus gewesen: "Die Spenden haben natürlich keinen Einfluss gehabt auf mein Verhalten. Null!" Reuls Kreisverband Rhein-Berg hatte die drei Spenden Anfang Mai 2024 selber öffentlich gemacht, als alle CDU-Kreisverbände im Zuge der Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Schleuserring mögliche Spendeneingänge aus dem Kreis der Verdächtigen geprüft hatten.
Reul: Erstes Kennenlernen im Februar 2022
Gegenüber dem landespolitischen Magazin Westpol hatte Reul zuletzt bekräftigt, dass es bei den Treffen mit Brockhaus nie um das Thema Einwanderung oder Fachkräftegewinnung im Ausland gegangen sei. Im Ausschuss legte er detailliert offen, wie der Kontakt zu dem Rechtsanwalt entstanden sei. Demnach habe Brockhaus im Februar 2022 um ein Kennenlernen gebeten, weil er die Arbeit des Ministers unterstützen wolle.
Da Brockhaus selber bis Ende 2023 CDU-Mitglied war und neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch Geschäftsführer einer Reul bereits bekannten Berliner Lobbyagentur, sah der Minister nach eigener Auskunft keinen Grund, sich nicht mit Brockhaus zu treffen: "Ich sage Gespräche selten ab. Meine Art von Politik ist die, möglichst viele Kontakte zu haben."
Das rund einstündige Kennenlernen fand am 18.02.2022 im Ministerium statt. Brockhaus habe sich als Unterstützer von Reuls politischer Arbeit zu erkennen gegeben und nach Tipps gefragt, wie er sich selber mehr in die CDU einbringen könne. Reul will Brockhaus daraufhin um Kontakte zu Wirtschaftsvertetern gebeten haben, damit er bei diesen "Aufklärungsarbeit" zum Thema Cybercrime leisten könne. Um Geld sei es bei dem Gespräch nicht gegangen.
Später, im Sommer 2022, vermittelte Brockhaus als Lobbyist für einen Kunden ein gemeinsames Gespräch mit Reul zum Thema Sportwetten im Ministerium. Nach Reuls Aussage im Innenausschuss, habe er sich die Argumente der Interessensvertreter angehört. Diese seien aber nicht überzeugend gewesen. Ob Brockhaus für die Vermittlung solcher Treffen Geld erhalten hat, konnte Reul nicht ausschließen. Einem weiteren Terminwunsch von Brockhaus für einen weiteren Kunden, eine Softwarefirma, im Dezember 2023 habe er nicht entsprochen.
Reul: 30.000 Euro für Wahlkampf wichtig, aber nicht maßgeblich
Weitere Treffen mit Brockhaus fanden auf dessen Einladung auf Veranstaltungen mit Wirtschaftsvertretern oder Juristen außerhalb des Ministeriums statt. Reul bekräftigte, er habe die Gespräche damals insgesamt nicht als Problem gesehen. Er sei sich sicher gewesen, dass Brockhaus "untadelig" sei. Die rund 30.000 Euro seien für seinen Wahlkampf zwar ein wichtiger Beitrag gewesen, aber kein maßgeblicher.
Im Falle Reuls und seines Kreisverbands gibt es - anders als wegen Parteispenden im Rhein-Erft-Kreis - keinen Verdacht der Staatsanwaltschaft, dass es hierfür eine Gegenleistung gegeben haben könnte, und entsprechend auch keine strafrechtlichen Ermittlungen. SPD und FDP sehen allerdings weiteren Aufklärungsbedarf und wollen das Thema auch bei der nächsten regulären Sitzung des Innenausschusses erneut auf die Tagesordnung setzen. Es stellten sich in diesem Fall ganz grundsätzliche Fragen nach der Trennung von Amt und Parteiarbeit.
Unsere Quellen:
- WDR-Recherchen
- Sitzung Innenausschuss im NRW-Landtag
- Interviews Landtagsabgeordnete
Über dieses Thema berichtet der WDR auch im Hörfunk in der Sendung WDR Aktuell am Dienstag, 28.05.2024.