So soll die umstrittene Software Palantir der NRW-Polizei schon geholfen haben

Stand: 28.10.2022, 16:12 Uhr

Die Fahndungssoftware Palantir ist datenrechtlich umstritten und teurer als erwartet. Doch Innenminister Reul glaubt an ihren Nutzen. Nun gibt es erste Fahndungserfolge.

Von Nina Magoley

Seit Frühjahr 2022 nutzt die Polizei in NRW die Fahndungssoftware des US-amerikanischen Herstellers Palantir. Der Einführung waren heftige Debatten und Proteste vorausgegangen, weil Palantir Daten zu einzelnen Personen aus diversen Quellen saugen kann: aus Polizeiregistern, aber auch etwa aus dem Einwohnermeldeamt, dem Ausländerzentralregister oder aus Social-Media-Kanälen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte das Programm für "datenbankübergreifende Recherche und Analyse" (DAR) - so der eigentliche Name - immer verteidigt. Am Freitag vermeldete das Innenministerium erste Fahndungserfolge.

Amokdrohung in Siegen

So bestätigte ein Sprecher dem WDR, erst vor zwei Wochen sei eine Person identifiziert worden, die der Stadtverwaltung in Siegen per E-Mail mit einem Amoklauf gedroht hatte. Anlass war der Beschluss der Stadt, das Baden von Frauen ohne Oberteil im Schwimmbad zu erlauben. Zunächst habe die Polizei nur eine E-Mailadresse des Absenders als Anhaltspunkt gehabt. Eine konventionelle Recherche in den Polizeisystemen sei erfolglos gewesen. Mittels DAR habe man dann "innerhalb von Sekundenbruchteilen" die Mailadresse im Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei gefunden. Sie habe dann zu einer "polizeibekannten Person" geführt.

Im August sei die Polizei mittels der Software einem Mann auf die Spur gekommen, der im Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines 13-jährigen Mädchens steht. Zu dem mutmaßlichen Täter habe es zuvor weder Bilder noch Personalien gegeben - lediglich ein Spitzname und eine Telefonnummer. Letztere stellte sich aber als falsch heraus. Die Recherche in DAR habe dann zu einem Treffer in einer polizeilichen Datenbank geführt. "Auf diesem Wege konnte die Telefonnummer mit einer Person und einem Ort in Verbindung gebracht werden", so das Innenministerium.

Diebesbande ermittelt

Als weitere Beispiele für den Nutzen der Plantir-Software nannte das Innenministerium den Fahndungserfolg gegen einen mutmaßlichen Serieneinbrecher. Über diese Person sei schließlich eine ganze Diebesbande identifiziert worden, gegen die nun ermittelt werde. Sämtliche polizeilich bekannten Daten seien mittels DAR miteinander abgeglichen und analysiert worden. "Die Zuordnung wäre aufgrund der Vielzahl der betroffenen Behörden und Dienststellen sowie der Erfassung entsprechender Daten in verschiedenen polizeilichen Systemen ohne DAR nicht möglich gewesen", heißt es.

Im Mai sei die Software nach einer Clan-Schießerei in Duisburg hilfreich gewesen: Die zuständige Mordkommission habe mittels DAR von 100 Personen, die am Geschehen beteiligt waren, 51 identifizieren können. Pro Person habe die Software bei der Zusammenstellung der verfügbaren Informationen etwa 20 Minuten gebraucht - statt 60 Minuten ohne die Software. "Das entscheidet über Zuordnungen innerhalb der ersten zwei Tage oder innerhalb der ersten Woche - zu spät für gefahrenbegrenzende oder fluchtverhindernde Maßnahmen" - so zitiert das Innenministerium einen Polizeibeamten der Auswertestelle Organisierte Kriminalität des Polizeipräsidiums Duisburg.

Das Innenministerium nennt noch ein weiteres Beispiel zu erfolgreichen Einsätzen der Palantir-Software auch im Bereich des illegalen Drogen- und Waffenhandels.

Innenausschuss kritisiert Kosten

Der Innenausschuss des Landtags hatte am Donnerstag über die umstrittene Software diskutiert - vor allem, weil sie das Land deutlich mehr Geld kostet, als zunächst angenommen: statt 14 Millionen jetzt 39 Millionen. Innenminister Reul hatte dafür eine lapidare Erklärung: Die Ausschreibung für 14 Millionen sei nur geschätzt gewesen, man habe gar nicht genau gewusst, wie hoch der Preis für die geforderten Leistungen eigentlich ist.

Der Preis sei aber realistisch, meinte Reul, zumal der Vertrag mit Palantir bis 2025 laufe und in den Gesamtkosten auch die Beschaffung von Hardware, Beratungs- und Dienstleistungen oder Maßnahmen für IT-Sicherheit eingerechnet seien.

Ermittelte sensible Daten würden nur in Deutschland gespeichert, nicht, wie Kritiker befürchten, auf Servern in den USA. Zugriffe auf das System seien nur von polizeilichen Computern mit besonderer Berechtigung möglich.

Anfang Oktober hatte ein Bürgerrechtsverein Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung der Software eingelegt. Sie dürfe nur bei schwersten Straftaten wie Terrorermittlungen eingesetzt werden.