OVG-Besetzung: Innenministerium zieht Beurteilung zurück

Stand: 14.11.2024, 18:20 Uhr

Bei der Besetzung des Chefpostens am Oberverwaltungsgericht gibt es eine Wendung. Vielleicht wird das Verfahren neu aufgerollt.

Von Sabine Tenta

Mehrere Gerichte - darunter das Bundesverfassungsgericht -, ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss und nicht zuletzt die Öffentlichkeit sind seit Monaten mit der umstrittenen Besetzung des vakanten OVG-Leitungspostens befasst. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat das NRW-Innenministerium eine Beurteilung der Kandidatin, die den Posten bekommen sollte, zurückgezogen. Damit könnte das gesamte Bewerbungsverfahren wieder auf Null gesetzt werden, davon geht die SPD-Fraktion in der Opposition aus. Und der Druck auf Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) wird größer.

Dem WDR liegt ein Statement von Daniela Lesmeister, Staatssekretärin im NRW-Innenministerium, vor. Sie hatte die strittige Beurteilung ausgesprochen. Lesmeister teilt nun mit, sie habe am Montag, "entschieden, die Beurteilung aufzuheben". Hintergrund sei, "dass nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass bei der Beurteilung, obwohl sie nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist, ein Formfehler unterlaufen ist". Zudem habe sie veranlasst, "dass die der Beurteilung zugrunde liegende Beurteilungsrichtlinie einer umfassenden Prüfung unterzogen und präzisiert wird".

Am Freitag will sich auch NRW-Justizminister Benjamin Limbach zum weiteren Verfahren äußern.

SPD: "Teilschuld des Innenministeriums"

Nadja Lüders, Obfrau der SPD-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss "OVG-Besetzung" sprach von einem "Desaster für die Landesregierung". Das gesamte OVG-Besetzungsverfahren sei damit hinfällig und falle "wie ein Kartenhaus in sich zusammen". In der Interpretation von Lüders ist die Rücknahme der Beurteilung ein Eingeständnis, dass die Beurteilung für die Abteilungsleiterin rechtswidrig gewesen sei.

Das Innenministerium habe daran mindestens eine Teilschuld: "Es hat in dem unter Manipulationsverdacht stehenden Verfahren den ersten Baustein – eine Bestnote auf Bestellung – für die Auswahl der gewünschten Kandidatin geliefert." Zufrieden stellt die Obfrau im Untersuchungsausschuss fest: "Damit ist ein erster Teil in dieser Geschichte aufgeklärt." Bereits vernommene Zeugen müssten, so fordert es Lüders, angesichts der aktuellen Entwicklung neu befragt werden.

Die Rolle des Innenministeriums

Das Innenministerium spielte bei der umstrittenen Besetzung eine zentrale Rolle. Denn die ausgewählte Kandidatin hatte als Abteilungsleiterin des Innenministeriums eine Beurteilung erhalten, die wesentlicher Teil ihrer Bewerbung war. Die Beurteilung der Kandidatin mit Bestnoten erfolgte ausschließlich durch die Innen-Staatssekretärin Daniela Lesmeister.

Gutachten bezweifelte Rechtmäßigkeit des Besetzungsverfahrens

Ein Gutachten, das SPD und FDP in Auftrag gegeben hatten, war zu dem Schluss gekommen, dass die Beurteilung des Innenministeriums rechtswidrig gewesen sein soll. Lesmeister sei nur zwei Monate Vorgesetzte der Kandidatin gewesen. Sie hätte mindestens ihren Amtsvorgänger Jürgen Mathies fragen müssen.

Mehrfach wurde Lesmeister vom Untersuchungsausschuss als Zeugin geladen. Dabei verteidigte sie ihre Beurteilung der Kandidatin für den OVG-Posten. Sie könne das aus ihrer eigenen Zeit als Abteilungsleiterin für die Polizei mit einem von ihr selbst so genannten "360-Grad-Rundumblick" beurteilen. Deshalb habe sie auch ohne die Expertise ihres Amtsvorgängers eine für das OVG-Amt notwendige Beurteilung mit Bestnoten abgegeben.

Das umstrittene OVG-Besetzungsverfahren

Kurz vor Ende seiner Amtszeit hatte der damalige NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) eine Entscheidung dazu getroffen, wie die vakante OVG-Leitungsstelle besetzt werden soll. Unter Biesenbachs Nachfolger Benjamin Limbach (Grüne) war noch eine weitere Bewerberin hinzugekommen, die schließlich den Zuschlag der Landesregierung erhalten hatte. Dabei handelte es sich um eine Bekannte und ehemalige Richter-Kollegin von Limbach. Dagegen sind mehrere unterlegene Bewerber juristisch vorgegangen, einer von ihnen schaltete das Bundesverfassungsgericht ein.

Über dieses Thema berichten wir auch in den WDR-Hörfunknachrichten.

Unsere Quellen:

  • Mitteilung der Staatskanzlei mit Statement von Daniela Lesmeister
  • Pressemitteilung der NRW-SPD