Gewalt gegen Männer – das sei immer noch ein Tabuthema, sagt die nordrhein-westfälische Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU). Um dieses Tabu aufzubrechen, hat das Land NRW vor zwei Jahren zusammen mit Bayern das "Männerhilfetelefon“ eingerichtet – ein Hilfsangebot, an das sich Männer, die Gewalt erfahren haben, aber auch ihre Angehörige oder Fachkräfte von anderen Beratungsstellen wenden können. Per Anruf, per Mail oder Online-Chat. Das Land NRW fördert das Projekt mit rund 107.000 Euro jährlich. Mittlerweile ist neben NRW und Bayern auch Baden-Württemberg bei der Hotline eingestiegen.
In vielen gemeldeten Fällen ist die Täterin die (Ex-)Partnerin
Das Angebot werde immer intensiver wahrgenommen, sagt Scharrenbach. Im Jahr 2020 gab es rund 1.500 Kontaktaufnahmen bei dem Hilfetelefon, im Vorjahr hatte sich mit mehr als 3.000 Kontakten diese Zahl verdoppelt.
Rund 60 Prozent der Betroffenen kämen aus einem mittleren oder gehobenem Sozialniveau, 40 Prozent aus einer prekären sozialen Lage. Dieses Verhältnis sei "erstaunlich“, so Scharrenbach.
Rund zwei Drittel der betroffenen Männer berichteten von psychischer Gewalt, fast die Hälfte von körperlicher Gewalt. In fast zwei Drittel der Gewalterfahrungen ging es dabei um Taten durch eine aktuelle oder ehemalige Partnerin, bei knapp einem Fünftel ging es um Gewalt durch andere Familienangehörige. Gewalttaten in schwulen Beziehungen werden dem Telefon bislang kaum gemeldet - bei Gewalt in der Partnerschaft ist in 95 Prozent der Fälle die der Hotline gemeldet werden die Täterin eine Frau.
Zu wenige ältere Männer erreicht
Die Ministerin betonte, dass manche Gruppen von Männern durch das Hilfsangebot noch nicht intensiv genug erreicht würden. Männer über 60 Jahre und unter 25 Jahre seien unter den Kontaktpersonen noch recht selten vertreten. Dabei könnte gerade bei älteren Menschen das Thema "Gewalt in der Pflege“ eine Rolle spielen, so Scharrenbach. Entsprechend werde das Hilfetelefon seine Bemühungen intensivieren, auch diese Männer zu erreichen.
Außerdem wolle das Hilfsangebot neben der häuslichen Gewalt, die derzeit die meisten der gemeldeten Fälle ausmacht, auch stärker Gewalt im öffentlichen Raum in den Blick nehmen – also wenn beispielsweise ein Mann auf der Straße verprügelt wird. Bei strafrechtlich relevanter Gewalt sei aber auch klar: "Erster und zweiter Weg ist Polizei. Wichtig ist es immer, die Täterinnen und Täter zur Anzeige zu bringen, damit sie auch keine weiteren Straftaten verüben können."
Derzeit gebe es Gespräche mit weiteren Bundesländern, die interessiert daran seien, an dem Hilfetelefon mitzuwirken, so Scharrenbach. Beispielsweise hätte eine Analyse gezeigt, dass neben den beteiligten Bundesländern NRW, Bayern und Baden-Württemberg viele Anrufer auch aus Berlin, Hessen und Niedersachsen kommen. Es sei entsprechend sinnvoll, dass sich weitere Bundesländer dem Projekt anschließen, so Scharrenbach.
Allgemein betonte die Gleichstellungsministerin: "Jeder Mensch, egal ob Frau oder Mann, die von Gewalt betroffen sind, lebt nicht frei.“ Deshalb sei eine der zentralen Aufgaben der Landespolitik, über Prävention und Öffentlichkeitskampagnen dafür Sorge zu tragen, dass Menschen in Freiheit leben können. "Und da wo es nicht der Fall ist, dass wir dafür Sorge tragen, dass sie es in der Zukunft können."
Das Männerhilfetelefon ist zu erreichen unter Tel. 0800 123 99 00 sowie im Internet unter www.maennerhilfetelefon.de
Der WDR berichtet über dieses Thema unter anderem im Westblick auf WDR5.