Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul ist laut Umfragen eines der beliebteren Regierungsmitglieder. Und während seine CDU nicht nur wegen "Mallorca-Gate" Gegenwind spürt, gilt Reul, der 2021 sogar mal als Anwärter auf die Nachfolge von Armin Laschet als Landesvorsitzender gehandelt worden war, als Zugpferd seiner Partei. Laut NRW-Trend waren im April bei der Inneren Sicherheit 54 Prozent der Befragten zufrieden mit der Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung - mehr als in anderen Politikfeldern.
Der omnipräsente Reul
Kein Wunder also, dass Reul gern öffentlich auftritt und vermeintliche sowie tatsächliche Erfolge und neue Initiativen präsentiert. Am Donnerstag stellte der Minister in Düsseldorf einen "neuen strategischen Schwerpunkt der Polizei" gegen sogenannte "Problemgruppen" vor. Junge "Krawallmacher" etwa in der Düsseldorfer Altstadt oder an Münsters Aasee sowie "Hooligans", "Mitglieder der Raser-, Poser- und Tuner-Szene" soll die Polizei mit mehr Präsenz "bekämpfen".
Das hatte man so ähnlich schon öfter gehört in der Amtszeit Reuls. Auch die Gewerkschaft der Polizei klagte schon 2019 über gewaltbereite "Problemgruppen, die Schwierigkeiten haben, die Polizei anzuerkennen". Was jetzt neu an dem Problem ist, konnte der Minister bei der Pressekonferenz auf Nachfrage von Journalisten nicht so richtig erklären. Und obwohl der "Handlungsrahmen" für ganz NRW gelten soll, räumte der Minister ein, dass es vor Ort dezentrale Konzepte je nach Kommunen geben solle. Auch Waffenverbotszonen hatte Reul schon vor Monaten eingeführt.
Ein weiterer Reul-Auftritt also in diesen Wochen und Monaten kurz vor der Wahl. Reul hatte jüngst bereits unmittelbar vor dem Wahltermin - anders als sein Amtsvorgänger Ralf Jäger (SPD) 2017 - den Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Der Innenminister präsentierte auch ein Lage-Bild zur Clankriminalität, besuchte mit Ministerpräsident Wüst die LKA-Ermittler im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch - und legte die Kriminalstatistik vor.
Kriminologe: Minister soll sich raushalten
Der Bochumer Kriminalwissenschaftler Thomas Feltes sieht Reuls "Problemgruppen"-Initiative und seine Auftritte kritisch: "Wenn es Probleme gibt und die gibt es, müssen sie lokal gelöst werden und da sollte sich der Innenminister raushalten." Man bekomme schon den Eindruck, dass der Innenminister hier Wahlkampf mache. Feltes: "Da muss jetzt also der Law-and-Order-Mann Reul ran, nach den Rockern und Clans hat er nun 'Problemjugendliche' entdeckt.“
Außer Repression falle dem Minister nichts ein, kritisiert Feltes. Der Forscher plädiert dafür, jungen Menschen, die "besonders unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie in den vergangenen beiden Jahren gelitten haben", mehr unterstützende Angebote zu machen.
Minister will "Projekt zu Ende führen"
Auf die Frage, ob das Problem mit jungen Randalierern auf öffentlichen Plätzen und in Kneipenvierteln in den fünf Regierungsjahren von Schwarz-Gelb schlimmer geworden sei als unter der rot-grünen Vorgängerregierung, sagte Reul am Ende des Termins in Düsseldorf, man habe das Problem lange im Auge, aber man lerne ständig dazu. "Die Massivität an Krawall, an Radikalität, an Gewaltbereitschaft wie wir die im letzten Jahr festgestellt haben, haben wir in dem Ausmaß noch nicht gehabt." In Reuls Pressemitteilung stand dann aber "in den vergangenen zwei Jahren" - also kein so ganz neues Phänomen.
Es spreche alles dafür, "dass der Wähler uns die Chance gibt, dieses Projekt zu Ende zu führen", sagte Reul zum Schluss. Da klang der Innenminister und frühere CDU-NRW-Generalsekretär bei der Pressekonferenz der Landesregierung dann so richtig wie ein Wahlkämpfer.
Herbert Reul wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Er kandidiert für den Landtag, dem er schon von 1985 bis 2004 angehört hatte. Egal wie die Wahl am 15. Mai ausgeht, öffentliche Auftritte des erfahrenen Haudegens aus Leichlingen dürften auf der landespolitischen Bühne auch in den nächsten Jahren keine Seltenheit sein.