Endlich eine Lösung für das Altschulden-Problem der Kommunen - so sah es Mitte Juni vordergründig aus, als Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) einen Vorschlag präsentierte. Doch dann hagelte es Kritik - von den Kommunen, der Opposition und Experten bei einer Anhörung im Landtag. Von einem Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Spiel war die Rede. Unterm Strich hätten einige Kommunen profitiert, andere wiederum draufgezahlt und die Hauptlast hätte der Bund tragen müssen.
Die Gründe für die Kehrtwende
Am Dienstag zog das Kabinett die Reißleine und verschob eine Altschulden-Regelung für die Kommunen auf das Jahr 2025. Als Grund für den Sinneswandel nannte im Anschluss Kommunalministerin Scharrenbach die Gespräche mit den Kommunen, die auf Unzulänglichkeiten hingewiesen hatten, und die bekannt gewordenen Eckpunkte eines Bundesgesetzes.
Das sogenannte "Wachstumschancengesetz" von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht massive Steuererleichterungen für Unternehmen vor, die wahrscheinlich zu Mindereinnahmen bei den Kommunen führen werden, insbesondere wegen Einbußen bei der Gewerbesteuer.
Flucht nach vorne
Ina Scharrenbach ging in die Offensive und verkaufte ihren Rückzug als Pragmatismus. Sie würde eben "zuhören, entscheiden, handeln". Aus den Gesprächen mit den Kommunen habe sie zudem erfahren, dass die Daten des Statistischen Landesamtes IT.NRW falsche Angaben zur Finanzlage der Kommunen enthalten. Damit stimmten die Grundlagen ihrer Berechnungen nicht mehr.
Es wird nicht einfacher
Die Lösung um ein Jahr zu verschieben macht sie indes nicht einfacher.
Denn die finanziellen Spielräume des Landes werden immer enger, wie wenige Stunden vor der Kabinettssitzung die Präsidentin des Landesrechnungshofs vorgerechnet hatte. Sie stellte in Düsseldorf den Jahresbericht der obersten Finanz-Kontroll-Behörde des Landes vor. Ab 2024 greift die Schuldenbremse in NRW, die Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen sind vorbei und es muss dringend gespart werden.
Kommunen befürworten Verschiebung
Die kommunalen Spitzenverbände teilten in einer Reaktion mit, dass sie die Verschiebung der Altschulden-Regelung "ausdrücklich befürworten". Angesichts vieler offener Fragen sei der Einstieg in die Entschuldung zum 1. Januar 2025 "eine realistische Zielmarke", heißt es in einer Presseerklärung.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (Städtetag), Landrat Dr. Olaf Gericke (Landkreistag) und Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer (Städte- und Gemeindebund), die ebenso wie Scharrenbach CDU-Politiker sind, teilten mit: "Wir begrüßen, dass die Landesregierung nach Jahren des Stillstands die Initiative ergriffen hat und jetzt gemeinsam mit den Kommunen den vorliegenden Entwurf weiterentwickeln will. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass zeitnah ernsthafte Gespräche zur Lösung der Altschuldenproblematik geführt werden."
Der Bund habe mit seiner Sozialgesetzgebung wesentlich zum Aufwuchs der kommunalen Kassenkredite beigetragen und müsse deshalb ebenfalls - wie auch von ihm zugesagt - einen maßgeblichen Beitrag zur Lösung liefern.
SPD spricht von "Bruchlandung"
Die größte Oppositionspartei im Landtag, die SPD, konnte sich einen gewissen Spott angesichts des Rückziehers nicht verkneifen. Ihr Fraktionsvorsitzender Jochen Ott sagte: "Diese Landesregierung kann es einfach nicht. Nach dem katastrophalen Haushalsverfahren im vergangenen Jahr legt Schwarz-Grün in der Altschuldenfrage nun die nächste Bruchlandung hin."
Erneut müsse das Kabinett von Hendrik Wüst einen Vorschlag zurückziehen, "nachdem es schon bei der Aufstellung des Landeshaushalts im vergangenen Jahr eine Verfassungsbruchlandung par excellence hingelegt hatte". Ott nennt die bisher geplante Altschulden-Regelung ein "Münchhausen-Model der schwarz-grünen Koalition", es sei nicht aus Einsicht, sondern auf Druck der Kommunen gestoppt worden. "Was die Kommunen jetzt dringender benötigen denn je, ist frisches Geld", so Ott. Die SPD sei bereit, "jetzt gemeinsam einen neuen Anlauf zu starten."
Über dieses Thema berichten wir am Mittwoch in der Sendung Westblick, ab 17.04 Uhr auf WDR5.