Jedes Mal wieder hab ich diesen Ohrwurm. Sobald es Thema ist. Auch heute, wo bekannt wird: Die meisten Polizeieinsätze wegen der Verunstaltung vom Song L'amour toujours waren bei uns in NRW. Hier rückte die Polizei knapp 100 mal aus, zu Volksfesten, Diskos oder privaten Feiern im Garten, weil rechtsextreme Parolen zu dem Lied gesungen worden sein sollen. Und ich fühl mich immer wieder kurz schlecht, wenn ich beim Lesen der Nachrichten die Melodie im Ohr habe. Im schlimmsten Fall geht mir seit Sylt direkt auch die Nazi-Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" durch den Kopf.
Beim Sport hab ich den Song letztens panisch weggedrückt als er zufällig in meiner Workout-Playlist losging. Soll ich ihn ganz rauslöschen aus meiner Playlist? Bullshit, denke ich. Mein Zögern verstehe ich noch – wer will ernsthaft "Ausländer raus" im Kopf haben – aber wenn man kurz drüber nachdenkt: Völliger Schwachsinn den Song nicht zu hören.
Zu glauben, dass wir irgendein Problem wegbekommen, wenn man L'amour toujours nicht spielt, ist ein Offenbarungseid einer demokratisch überforderten Gesellschaft. Nämlich, dass man nicht weiß, wie man Rechtsextremismus und Hass bekämpft, sondern es nur versucht irgendwie zu ersticken, wenn es den eigenen Alltag betrifft, wenn man sehr rhythmisch vor Augen, beziehungsweise Ohren, geführt bekommt, was in manchen Köpfen abgeht.
Die rechtsextremistische "Junge Alternative" (JA) hat zuletzt Sticker auf dem AfD-Bundesparteitag ausgelegt. Mit dem Aufdruck "Döp Dö Dö Döp" – eine Anspielung auf das Lied; ein Triumphakt. Die JA-Botschaft für mich dahinter: "Wir holen uns die Mitte der Gesellschaft" und kleben das sogar auf Sticker. Das Lied am Handy nervös wegzudrücken – oder es nicht auf einer Party zu spielen –, heißt verlieren und eine gefährliche Tendenz in Teilen der Gesellschaft wegzudrücken. Das geht aber nicht.
Bald ist Rheinkirmes in Düsseldorf, tausende Besucher, volle Festzelte. Ich will, dass der Song läuft. Und dann soll jedes Mal Polizei kommen und jeden rausziehen, der rechtsextreme Parolen singt. Der Rest soll währenddessen aber feiern, Altbier trinken und knutschen, sich am Leben und daran erfreuen, wovon der Song handelt – was tief menschlichem – der großen Liebe.
Also egal ob Bierzeltbank oder Bankdrücken. Spielt "L'amour toujours". Alles andere ist nur ein Reflex, der uns das Gefühl gibt, gegen ein Problem etwas getan zu haben. Ohne wirklich was getan zu haben – und das wäre fatal.
Kommentare zum Thema
Vielen Dank! Das spricht mir aus dem Herzen. Ich finde das Lied wunderbar und weigere mich, den rechten Missbrauch, der durch Stigmatisierung dieses Liedes erfolgt (erfolgen könnte), mit zu machen.
Warum ist es so weit gekommen?Solange Integration ein Fremdwort bleibt und von der Politik nur ein heißes Bla Bla kommt wird wird es bestimmt nicht besser.