Kommentar: Die "neue SPD" will wieder die alte werden

Stand: 27.08.2023, 15:27 Uhr

Die NRW-SPD hat einen neuen Vorstand und eine neue Idee von ihrer eigenen Zukunft - dabei ist der Weg zu alten Erfolgen noch weit.

Von Christoph Ullrich

Fast wäre es dann doch passiert: Als es zum Ende hin um die Frage ging, ob man in einer Parteitagserklärung mit Sternchen oder Doppelpunkt gendert, waren die SPD-Delegierten uneins. Die eine Hälfte des Saales hob für das Sternchen den Arm, die andere für den Doppelpunkt. Eine aufwendige Abstimmung per Wahlzettel wurde noch mit gutem Zureden verhindert. Der Saal hatte belustigt bemerkt, dass man hier um ein Randthema kämpft. Gendern ist zwar wichtig, aber den meisten Menschen im Lande ist egal, wie die NRW-SPD nach ihrem neuerlichen Aufbruch gendert.

Mehrheiten sind möglich

Dabei ist die "Neue SPD im Westen", der Slogan des Parteitags, eine Mogelpackung. Die Neue soll nämlich wieder die Alte werden: Die Kümmerer-Partei, die in ihrer Politik auf das achtet, was die Menschen umtreibt, nicht das, was die Funktionärs-Riege beschäftigt. Genau daran haperte es nämlich in den Jahren nach dem Abgang der letzten SPD-Identifikationsfigur Hannelore Kraft.

Die neue Co-Vorsitzende der Partei, Sarah Philipp, hat daher Recht, wenn sie sagt, dass es Mehrheiten für eine sozialere Politik gibt: Sei es bei der Bildung, dem Wohnen oder beim Klima. Das Problem ist: Niemand verbindet das mit der Partei. Dabei gäbe es mit einem solchen Angebot viel zu gewinnen: Schwarz-Grün in NRW nimmt eher die Perspektive der gehobenen Mittelschicht ein. Auch die Politik der Berliner Ampel ist nicht zwingend davon geprägt, Menschen Abstiegsängste zu nehmen.

Mehr Gedanken über den Auf- als den Abstieg

An dieser Stelle kann der Parteitag der NRW-SPD tatsächlich der Beginn eines Aufbruchs werden. Der größte Landesverband hat begriffen, dass es auch an ihm liegt, dass sich Menschen wieder mehr Gedanken über den Auf- als über den Abstieg machen.

Der Sound einer alten NRW-SPD, die den Gleichklang von Gewerkschaft und Unternehmen beherrscht, einen klaren Kompass für kostenfreie Bildung und bezahlbares Wohnen hat - sprich, die der Armut und der Angst vor ihr den Kampf ansagt, ist eine Partei, die gebraucht wird. Auch teilweise gegen die eigene Bundespartei, zumal diese ohne ein gutes Ergebnis der NRW-Genossen und Genossinnen nicht mal im Ansatz einen Blumentopf gewinnen könnte.

SPD in NRW jetzt mit Führungsduo WDR aktuell - Der Tag 26.08.2023 10:08 Min. Verfügbar bis 25.08.2024 WDR 3

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Daher ist es fast schon wohltuend, dass man die neuen Vorsitzenden Achim Post und Sarah Philipp noch nicht so wirklich kennt. Die Partei braucht nämlich erst einmal Themen, mit denen sich viele Menschen identifizieren, statt medialer Prominenz des Personals.

Über das Thema berichteten wir am 18.08.23 im Morgencho auf WDR 5.