Kommentar: Jetzt ist Regierungskunst in NRW gefragt

Stand: 06.09.2024, 14:08 Uhr

Vor zwei Jahren herrschte Euphorie in der ersten schwarz-grünen Koalition in NRW. Das ist Vergangenheit, kommentiert Jochen Trum.

Von Jochen Trum

Neulich war ich im Düsseldorfer Malkasten. Ein Kunstverein in bester Lage, von einem wunderbaren Park umgeben. Ich musste unwillkürlich daran denken, dass genau hier vor mehr als zwei Jahren der schwarz-grüne Koalitionsvertrag präsentiert wurde.

Damals lachte die Sonne, es herrschte fröhliche Euphorie. Endlich, ein neues politisches Projekt fürs Land. Erstmals Schwarze und Grüne in einer Regierung. NRW als erste klimaneutrale Industrieregion Europas. Politik in Düsseldorf als Vorbild für die Politik in ganz Deutschland.

Es war einmal, tempi passati.

Der Regierung Wüst, der kürzlich noch attestiert wurde, ruhig und geräuschlos zu funktionieren, droht Ungemach. Es sind vor allem die Grünen, die Probleme magisch anziehen.

Paul mit dem Rücken zur Wand

Flüchtlingsministerin Josefine Paul steht seit Solingen mit dem Rücken zur Wand. Ihre Kommunikation und ihr Krisenmanagement waren, gelinde gesagt, ein Offenbarungseid. Es rächt sich, dass kein Gestaltungsanspruch in der Migrationspolitik zu erkennen ist. Und dass manche in ihrer Partei sich das Land immer noch als große Villa Kunterbunt vorstellen, indem möglichst viele Menschen subsidiären Schutz bekommen. Zur politischen Linie der CDU passt das nicht mehr.   

Weitere Minister mit Problemen

Justizminister Benjamin Limbach ist seit geraumer Zeit mit Selbstverteidigung beschäftigt, weil die Chef-Besetzung des höchsten Verwaltungsgerichts im Land durch sein Zutun schiefgegangen ist. Den Vorwurf der Vetternwirtschaft wird er nicht mehr los, seit bekannt ist, dass er mit seiner Favoritin für den Posten essen war.

Oliver Krischer, der für Verkehr und Umwelt zuständig ist, muss die nächste grüne Pleite verdauen. Der zweite Nationalpark ist vorerst geplatzt. Und beim Artenschutz stellt ihm der Naturschutzbund ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Über das Thema Verkehr lässt sich in NRW ohnehin nur der Mantel des barmherzigen Schweigens breiten.

Hiobsmeldungen aus der NRW-Wirtschaft

Dann ist da noch Mona Neubaur. Für Klimaschutz und Wirtschaft verantwortlich. Kaum ein Tag vergeht ohne Hiobsmeldungen aus den Firmen des Landes. Umsätze sinken, Aufträge auch, die NRW-Industrie scheint derzeit nur eine Richtung zu kennen. ThyssenKrupp, der Industriegigant, taumelt.

Ob in NRW wirklich eines fernen Tages klimafreundlicher Stahl gekocht wird, ist offen. Und das nächste Problem lugt schon um die Ecke: Neubaur wird wohl bald erklären müssen, dass der ehrgeizige Braunkohleausstieg 2030 scheitert. Denn die Gaskraftwerke, die es geben müsste, damit alles zusammenpasst, wird es in den verbleibenden Jahren nicht in ausreichender Zahl geben.

Werden die Probleme der Grünen zu Wüsts Problemen?

Ministerpräsident Wüst muss sich fragen, wann die grünen Probleme zu seinen werden. In seiner CDU jedenfalls macht sich Unruhe breit.

Zwei Untersuchungsausschüsse werden nun dafür sorgen, dass Paul und Limbach nicht aus dem Fokus geraten. Vor dem Hintergrund der dauerstreitenden Ampel das Bild souveränen Regierens zu zeichnen, das war bisher Wüsts Politikmodell. Im Malkasten vor zwei Jahren sprach er gar von einem „gemeinsamen Bild“, das CDU und Grüne malen wollten.

Ja, Konservative haben stets Sinn für die bildenden Künste, doch jetzt ist Regierungskunst gefragt.