Hospize in NRW unter Druck

Stand: 14.10.2023, 16:04 Uhr

Während der Bedarf an Plätzen steigt, nimmt die Zahl der Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit immer weiter ab. Hinzu kommen Finanzierungsschwierigkeiten. Viele Hospize in NRW blicken deshalb mit Sorge in Richtung Zukunft.

Von Cedrik Pelka

Brigitte Schwarzmüller wohnt seit etwa zwei Wochen im Hospiz Mülheim. Hier können Menschen ihre letzte Lebensphase verbringen, in Begleitung von speziell ausgebildeten Pflegekräften. Die 74-Jährige hat Krebs und wird bald sterben. Doch sie hat keine Angst davor, sondern fühlt sich wohl hier - vor allem dank der vielen Gespräche mit Pflegekräften und Seelsorgerinnen.

"Ich bin alleinstehend. Mein Mann ist vor neuneinhalb Jahren verstorben", erzählt Schwarzmüller, "ich habe keine Kinder und zu Hause kann ich nicht bleiben. Ich habe keinen, der mich da versorgt. Und nur mit Pflegekraft wollte ich das nicht. Und für mich war das immer ein Gräuel, hilflos zu Hause zu liegen und immer zu warten, dass da mal alle paar Stunden jemand kommt."

Brigitte Schwarzmüller. | Bildquelle: WDR

Brigitte Schwarzmüller hat damit deutlich mehr Glück als viele andere Menschen in NRW, die einen Hospizplatz suchen. Allein hier in Mülheim stehen 55 Menschen auf der Warteliste  – bei zwölf Zimmern. Der Geschäftsführer Ulrich Schreyer spricht deswegen sogar von einer Art Triage: "Alle Menschen sind in einer Notsituation und schwerstkrank. Und das ist dann schon eine schwierige Entscheidung zu sagen, der eine kann kommen, und der andere muss noch warten. Und man weiß ja nie, wie viel Zeit überhaupt noch zur Verfügung steht."

Mehr Hospize gefordert

In NRW gibt es 85 Hospize mit insgesamt 859 Betten. Nach Wespol-Recherchen gibt es vor allem in größeren Städten immer mehr Anfragen, denn die Menschen werden immer älter und wohnen häufiger allein. Viele Hospize sagen, dass sie gerne mehr Plätze schaffen würden oder sich mehr Hospize wünschen.

Christoph Voegelin vom Hospiz- und Palliativverband NRW bremst diese Hospize. Er sagt: "Wenn in Bereichen, wie zum Beispiel hier im nördlichen Ruhrgebiet, weitere Einrichtungen dazu kommen sollten, dann kann das mit großen Problemen verbunden sein, was die Personalfindung angeht, was die Finanzierung angeht, weil der Spendentopf wird, wenn ein neues Hospiz dazukommt, nicht größer, sondern eher kleiner, auch für die Bestandseinrichtungen."

Hospize sind auf Spenden angewiesen

Die Finanzierung ist die größte Sorge bei den stationären Hospizen - so auch in Mülheim. Für die Gäste, wie Patienten hier genannt werden, ist das Hospiz kostenlos. 95 Prozent der Kosten für die Gäste erstatten die Krankenkassen. Die restlichen fünf Prozent muss das Hospiz durch Spenden finanzieren. Hinzukommen Ausgaben für Investitionen und Renovierungen, gestiegene Energiepreise oder auch die Anschaffung von pflegerischem Material. "Es wäre Zeit darüber nachzudenken, ob dieser fünfprozentige Eigenanteil noch angemessen ist", sagt Geschäftsführer Schreyer. So weit möchte Voeglin vom Hospizverband nicht gehen. Er fordert aber, dass deutlich mehr Dinge von den Krankenkassen in den Tagesbedarfsätzen refinanzirt werden.

Mindestens 200.000 Euro muss das Hospiz in Mülheim jedes Jahr selbst aufbringen – während die Spenden in vielen Teilen NRWs immer geringer werden. Manche Hospize und Hospizdienste berichten von Spendeneinrüchen von bis zu der Häflte.

Land will Bedarf an Hospizplätzen ermitteln

NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) | Bildquelle: WDR

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagt bei seinem Besuch von einem Infostand zum Welthospiztag in Emsdetten, dass man sich den Bedarf immer regional anschauen müsse. Eine pauschale Aufstockung von Plätzen mit Geld vom Land sei nicht sinnvoll. "Wenn man in den Regionen den Eindruck hat, wir müssen immer Leute abweisen, wir haben zu wenig Plätze, dann finde ich muss man auch rangehen und sehen, dass man diese Plätze hinkriegt." Ein "fertiges Haus" werde das Land aber nicht hinstellen. Laumann verweist auf Stiftungen, die Freie Träger beim Aufbau neuer Hospize helfen könnten.

Die SPD im Landtag fordert von Gesundheitsminister Laumann, dass erstmal eine wissenschaftliche Bedarfsanalyse erstellt wird, um zu klären, wie viele Betten aktuell fehlen und ob die Hospize finanziell unterstützt werden müssen.

Weniger Ehrenamtliche im ambulanten Hospizdienst

Frauke Ellebrecht leitet hauptamtlich den ambulanten Hospizdienst in Dortmund. Daneben arbeitet sie ehrenamtlich als Sterbebegleiterin. In ihrer Heimatstadt Iserlohn kümmert sie sich beispielsweise um Jürgen Dahl. Auch er hat Krebs. Nachdem es so aussah, als würde er bald sterben, erholte er sich überraschend. Er ist überzeugt, das liegt am Hospizdienst, erzählt er beim Spaziergang mit einem großen Lächeln: "Ich nehme an, dass ich deswegen noch hier bin, wegen Frau Ellebrecht. Das bild‘ ich mir einfach ein. Das ist ganz schön, woll!?"

Frauke Ellebrecht und Jürgen Dahl schauen sich das alte Fotoalbum an. | Bildquelle: WDR

Noch gibt es genug ehrenamtliche Sterbegleiterinnen und –begleiter im ambulanten Hospizdienst, sagt Ellebrecht. Es werde aber immer schwieriger, neue Ehrenamtliche für diese Arbeit zu gewinnen und zu halten, sagt sie. Deswegen seien auch kleine Gesten wichtig: "Wenn eine Weiterbildung drei Stunden dauert, ist klar, dass wir Tee, Wasser, Gebäck, Obst und Kaffee anbieten. Wenn wir ganze Tageskurse haben, kochen wir meistens irgendetwas. Das hat einfach was mit Wertschätzung zu tun. Es entwickelt sich dadurch auch ein gutes Gefühl untereinander."

Land will Trauerbegleitung unterstützen

Doch solche Kosten müssen Hospizdienste selbst tragen, ebenso wie die Kosten für die Trauerbegleitung für Angehörige. Die Nachfrage steigt, die Kosten für die Hospizdienste auch. Doch zumindest hier will Gesundheitsminister Laumann jetzt erstmals helfen, sagt er im WDR-Gespräch: "Da müssen wir nochmal mit den Pflegekassen und den Krankenkassen sprechen, was man von deren Seite aus tun kann und wir als Land auch überlegen, was man von unserer Seite tun kann."

Den stationären Hospizen hilft das allerdings nicht weiter. Sie müssen weiter mit ihrer schwierigen Finanzsituation kämpfen. Lange halten sie den wachsenden Druck nicht mehr aus.

Die erste deutsche Palliativstation (am 07.04.1983) WDR ZeitZeichen 07.04.2023 15:01 Min. Verfügbar bis 07.04.2099 WDR 5

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