Die Kritik an der Neufassung des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes wird lauter. In einem Protestbrief appellieren Forschende an Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU): "Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück! Verzichten Sie auf eine Haltung des Misstrauens, die mit diesem Gesetz in die Hochschulen getragen wird!"
In der Stellungnahme von Verfassungsjuristinnen und -juristen heißt es weiter, die Gesetzespläne seien geeignet, "die Wissenschaftsfreiheit ernsthaft und nachhaltig zu beschädigen und dadurch die Hochschulen nicht zu stärken, sondern sie zu schwächen".
Gang nach Karlsruhe droht
Sollten die vorgeschlagenen Regelungen geltendes Recht werden, drohten "langwierige verfassungsrechtliche Streitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht".
Der Entwurf von Wissenschaftsministerin Brandes sieht vor, dass die Hochschulleitungen bei Fällen von sexuellen Übergriffen oder Machtmissbrauch mehr Befugnisse haben
Künftig soll es nun etwa möglich sein, einem Professor, gegen den aus der Studentenschaft Missbrauchs-Vorwürfe erhoben werden, das Betreten des Universitätsgeländes zu untersagen, bevor abschließend über die Richtigkeit der Anschuldigungen entschieden wurde. Das Ministerium spricht in diesem Fall von einer Schutzmaßnahme für beide Seiten.
Übers Ziel hinausgeschossen?
Auch die Opposition im Landtag sieht die Änderungspläne skeptisch. Der SPD-Bildungsexperte Bastian Hartmann spricht von "vielen offenen Punkten". Ob die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen "wirkungsvolle Instrumente sind oder übers Ziel hinausschlagen, werden wir genau prüfen". Zunächst wolle man Experten-Anhörungen im Landtag abwarten.
Für Angela Freimuth (FDP) schränkt der Entwurf "die Freiheit der Hochschulen und den offenen wissenschaftlichen Austausch erheblich ein". Die Landtagsabgeordnete kritisiert "staatliche Eingriffe und eine Atmosphäre des Misstrauens". Das geplante "Hochschulsicherheitsrecht" schwäche die Autonomie der Hochschulen. Freimuth sieht "Überwachungsmaßnahmen auf Basis pauschaler Verdächtigungen".
Ministerin: Tätern bisher "sehr leicht gemacht"
Ministerin Brandes verteidigt die Gesetzespläne: "Es gibt so viel und so wenig Missbrauch an Hochschulen, wie in jeder anderen Einrichtung oder Unternehmen." Gleichwohl sei es den potenziellen Tätern an Hochschulen in der Vergangenheit "sehr leicht gemacht" worden, "ihren Status und ihre Macht zu missbrauchen".
"Es ist doch so: Selbst bei schwersten Vorwürfen von sexuellen Übergriffen bleiben Professoren bislang in Amt und Würden bis das Disziplinarverfahren abgeschlossen ist", so die Ministerin weiter. Als Grundrechtsträger dürften die Hochschulen dem Beschuldigten bislang "nicht einmal den Zugang zum Gebäude verwehren – selbst dann nicht, wenn es massive, bezeugte Anschuldigungen" gebe.
Brandes: "Hochschulen, die von solchen Fällen betroffen sind, finden das untragbar – zu Recht! Deshalb führen wir Sicherheitsmaßnahmen ein und können jetzt schneller reagieren." Zugleich betonte die Ministerin, sie sei für jeden konstruktiven Hinweis zum Gesetzentwurf dankbar, "wo wir in der Sprache noch klarer und eindeutiger werden können".
Unsere Quellen:
- Protestbrief zitiert nach "Verfassungsblog"
- Brandes, Hartmann und Freimuth laut Mitteilungen
Über dieses Thema berichtete der WDR auch in Hörfunk und Fernsehen.