Die Regel hatte für viel Aufregung gesorgt: Seit 15. März gilt in Deutschland, dass sämtliche Arbeitskräfte in Gesundheitseinrichtungen gegen Corona geimpft sein müssen. Dazu gehören zum Beispiel Pflegeheime, Krankenhäuser und Arztpraxen. Dagegen hatten etwa 50 Personen eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag zurückgewiesen: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen sei rechtens.
Zwar räumten die Richterinnen und Richter ein, dass die Impfpflicht ein Eingriff in Grundrechte sei, zumal den Betroffenen als Alternative nur bliebe, ihren Beruf nicht mehr auszuüben oder den Arbeitsplatz zu wechseln. Der Gesetzgeber habe jedoch einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz besonders gefährdeter Menschen vor einer Infektion und den Grundrechtsbeeinträchtigungen für Dritte gefunden.
Einrichtungen müssen Ungeimpfte melden
Geklagt hatten überwiegend ungeimpfte Beschäftigte und Einrichtungsleiter, die weiter ungeimpftes Personal beschäftigen wollen. Schon im Februar hatte das höchste deutsche Gericht im Eilverfahren abgelehnt, die Vorschriften zur Corona-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal vorläufig außer Kraft zu setzen. Demzufolge war sie im März in Kraft getreten.
Seitdem müssen Krankenhäuser, Pflegeheime und mobilen Pflegedienste namentlich den Behörden melden, welche Mitarbeitende nicht geimpft sind. Das neue Gesetz gilt nicht nur für Pflegende und Ärzte, sondern zum Beispiel auch für Beschäftigte in der Küche oder im Fahrdienst, für Leiharbeiter genauso wie für Ehrenamtliche. Den Einrichtungen wurde eine Frist bis 15. Juni eingeräumt, um einen vollständigen Impfschutz bei allen Mitarbeitenden durchzusetzen.
Gesundheitsministerium kennt nur veralteten Stand
Die Gesundheitsämter der Städte und Gemeinden sollen diese Zahlen ans Gesundheitsministerium weitergeben. Auf WDR-Nachfrage kann das Ministerium allerdings nur veraltete Meldungen vorlegen: Zum Stichtag 13.04.2022 hätten 19.456 Beschäftigte keinen Impfnachweis erbringen können. Das entspräche rund 6,1 Prozent der gemeldeten Beschäftigten aus 6.691 meldenden Einrichtungen. Außerdem seien weitere 7.741 "Tätige" - zum Beispiel durch externe Firmen Beschäftigte ohne Nachweis gemeldet worden.
Das Ministerium weist aber darauf hin, dass Einrichtungen, in denen alle Beschäftigten geimpft sind, keine Meldung machen müssen. Bei insgesamt 800.000 bis 1 Million Beschäftigten in gesundheitlichen Einrichtungen liege daher die Quote der Ungeimpften zwischen 2,4 Prozent und 1,9 Prozent. Im Durchschnitt heißt das, dass in NRW vor etwa einem Monat noch rund 19.800 Ungeimpfte in Krankenhäuser, Heimen oder im Pflegedienst tätig waren.
Bußgeld oder Betretungsverbot
Bei der Stadt Essen seien es nur noch knapp 600 Ungeimpfte im Pflegesektor, sagte Sozialdezernent Peter Renzel am Donnerstag im Westblick auf WDR5. Davon dürften 45 Personen aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden. Bei den übrigen 557 laufe derzeit ein Anhörungsverfahren, bei dem sich die Betroffenen bis 15. Juni erklären müssen. "Danach entscheiden wir, wie wir damit umgehen", sagt Renzel. Zur Debatte stünden ein Bußgeld oder ein Betretungsverbot.
Schwierig werde die Abwägung, wenn der jeweilige Arbeitgeber sagen würde, "den oder die muss ich auf jeden Fall behalten". Wie die Stadt in solchen Fällen reagieren werde, das könne er heute noch nicht sagen, erklärt Renzel: "Dafür müssen wir uns noch etwas überlegen." Beim nächsten Austausch zwischen den Gesundheitsämtern NRWs und dem Ministerium werde darüber wohl auch beraten.
"Administrative und arbeitsrechtliche Baustelle"
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, zweifelt auch nach dem BVG-Urteil an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Zwar seien Corona-Schutzmaßnahmen für gefährdete Gruppen grundsätzlich richtig. Effizienter wäre aber ein verpflichtendes Testsystem für Personal in medizinisch-pflegerischen Einrichtungen, sagte Brysch am Donnerstag. Er bemängelte, dass sich der Senat zur Test-Option nicht geäußert habe. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht bleibe "eine administrative und arbeitsrechtliche Baustelle".