Soll die obligatorische Isolationspflicht nach einem positiven Coronatest für Menschen ohne Symptome aufgehoben werden - oder soll sie bleiben? Darüber streiten Mediziner, Virologen und Politiker seit Tagen. Zur Zeit müssen sich Infizierte für mindestens fünf Tage isolieren - egal ob sie Krankheitssymptome haben oder nicht. Angesichts der Personalengpässe etwa an Kliniken hatte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, die Diskussion über ein Ende der Regelung am Wochenende ins Rollen gebracht.
NRW: Weiter Isolationspflicht für Infizierte
Das NRW-Gesundheitsministerium steht aber weiter zur Pflicht. "Zum aktuellen Zeitpunkt sind keine konkreten Änderungen geplant", lautet die Antwort auf Anfrage des WDR. Also auch Infizierte ohne Symptome müssen in NRW erst einmal weiter für mindestens fünf Tage zu Hause bleiben. Erst danach ist ein Freitesten mit einem negativen PCR-Test oder offiziellem Schnelltest möglich. Das Ministerium beruft sich dabei auf die Empfehlung des Robert Koch-Instituts, die weiterhin eine Isolierung von nachweislich infizierten Personen für mindestens fünf Tage vorsieht. Denn gerade vor dem Auftreten von Symptomen bestehe eine hohe Infektiosität, also Ansteckungsgefahr. Gerade für vulnerable Personen könne auch eine leichte Infektion schwere Folgen haben, argumentiert das Gesundheitsministerium. Der Schutz dieser Menschen müsse insbesondere in medizinischen Bereichen wie Kliniken beibehalten werden.
Hausärzteverband Nordrhein hält Kompromisse für möglich
Für den medizinischen Bereich kann sich Manfred Imbert, stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, allerdings Kompromissmöglichkeiten vorstellen. So könne man jene infizierte Menschen, die gesund seien, mit einer Maskenpflicht belegen und dazu verpflichten, Risikogruppen zu meiden. "Zum Beispiel könnte dann eine Krankenschwester, eine Arzthelferin administrative Aufgaben erledigen und keine direkten Patientenkontake haben."
FDP: "Verantwortung an Bürger zurückgeben"
Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion in NRW, ist klar für eine Abkehr von der generellen Corona-Isolationspflicht. "Also nur weil man sich infiziert hat, ist man ja noch nicht automatisch krank und deswegen muss das jeder im Ergebnis hinterher tatsächlich für sich selber entscheiden, ob er gesund ist und arbeiten gehen kann oder ob er krank ist und zu Hause bleiben sollte." Man könne nicht die nächsten Jahre immer wieder mit Quarantäneregelungen und Isolationspflichten auf die Menschen zugehen. "Das ist der Sache dann auch nicht mehr angemessen, sondern man müsste es tatsächlich in die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger zurückgeben."
Lehrerverband: Schulen könnten auf "Kollaps" zusteuern
Eine Aufhebung der Corona-Isolationspflicht für symptomfreie Infizierte als Maßnahme gegen den Personalmangel ist für mehrere Lehrerverbände hingegen überhaupt nicht vorstellbar. "Ich glaube sogar, genau das Gegenteil wird verursacht. Denn wir lösen doch den Personalmangel nicht, indem wir infizierte Personen arbeiten lassen und in Kauf nehmen, dass alle anderen sich noch anstecken", schätzt Ayla Celik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW, die Situation gegenüber dem WDR ein. Sie hält es für möglich, dass bei einer Aufhebung der Isolationspflicht jene Schulen auf einen "Kollaps" zusteuern könnten, denen wegen des Lehrermangels schon jetzt viele Pädagogen fehlen.
Auch der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, warnt davor, dass sich die angespannte Personalsituation weiter zuspitzen könnte. "Wenn alle Quarantäne- und Schutzmaßnahmen aufgegeben werden und sich Infektionen ungehindert ausbreiten können, besteht die Gefahr, dass sich der bestehende Lehrerkräftemangel so verschärft, dass das Kartenhaus Schule endgültig zusammenbricht." Und auch der Deutsche Lehrerverband mahnt, dass ein Ende der Regeln in Kombination mit anderen Faktoren im Herbst zu einer großen Infektionswelle an Schulen führen könnte.