Bundeswehr in NRW: "Es fehlt an allem"

Stand: 14.08.2024, 14:30 Uhr

In der angespannten Weltlage rüstet die Bundeswehr auf. Das größte Problem: Personalmangel, auch beim Heimatschutzregiment NRW.

Von Nina Magoley

1989, nach dem Mauerfall, sei man der Überzeugung gewesen, "von Freunden umgeben zu sein", erinnerte sich Hans-Dieter Müller, Kommandeur des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen, "einschließlich Russland". Damals habe die Armee 495.000 Soldaten gezählt, plus bis zu 900.000 Reservisten.

Dann kam 2014 die Besetzung der Krim durch russisches Militär, 2022 der Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Zahl aktiver Soldaten in der Bundeswehr aber ist bis heute auf 180.000 geschrumpft, plus "eine fünfstellige Zahl" an Reservisten.

Die Bundeswehr rechnet für den "Operationsplan Deutschland" durch, wie viele Soldaten nicht nur an der "Ostfront" gebraucht würden, sollte man sich gegen kriegerische Angriffe verteidigen müssen, so Müller. Der "Operationsplan Deutschland" ist laut Bundeswehr ein geheimes Dokument, an dem Experten der Armee zusammen mit Vertretern von Polizei, Feuerwehr und der Wirtschaft kontinuierlich arbeiten. Ziel sei eine "gesamtstaatliche Verteidigungsplanung".

Fachpersonal fehlt

Die Rechnung sieht im Moment nicht gut aus - auch in NRW. Brigadegeneral Müller gab am Dienstag in Düsseldorf einen Überblick über die Lage im Heimatschutzregiment NRW. "Es mangelt an allem", so sein knappes Fazit. Die 100 Milliarden Euro, die der Bund nach Beginn des Ukrainekriegs für die Aufrüstung der Armee bereitgestellt hat, seien vollständig verplant - hauptsächlich für schweres Gerät, Munition, Kettenpolster für Panzer.

Reservistenausbildung der Bundeswehr | Bildquelle: Sebastian Gollnow/WDR/dpa

Vor allem aber fehle Personal. Seit es die allgemeine Wehrpflicht nicht mehr gibt, ist die Armee auf freiwillige Wehrdienstler angewiesen. Knapp 10.000 hätten sich in den letzten Jahren bei der Bundeswehr gemeldet, sagt Müller, ein Drittel davon sei geblieben. "Vor allem wegen der Kameradschaft und Kollegialität in der Truppe", ist er sich sicher. Dennoch: Für den Ernstfall mangele es vor allem an Fachpersonal: Elektroniker, Mechatroniker, Köche - "in allen Bereichen".

Soldaten bislang als Helfer im Einsatz

Müller ist für das Landeskommando Nordrhein-Westfalen zuständig - mit sechs Kompanien. Hier seien derzeit 85 Soldaten dauerhaft stationiert, außerdem mehr als 530 Reservistendienstleistende beordert. Bislang war das Heimatschutzregiment vor allem helfend im Einsatz: in der Flüchtlingskrise 2015 etwa, während der Pandemie oder im Katastrophenschutz nach der Flutkatastrophe 2021.

Sollte es zum Verteidigungsfall kommen, werde Deutschland selber "kein Frontstaat" sein, sagt Müller, aber wichtige "Drehscheibe" für die NATO: Für Truppenentsendungen an die Front etwa oder für Rücktransporte Verletzter.

Reservisten: Arbeitgeber müssen mitmachen

Vorerst muss die Bundeswehr weiter auf Reservisten setzen - ehemalige Soldaten, die sich bereit erklären, jederzeit abrufbar zu sein. Der konkrete Einsatz erfolgt dann aber auf freiwilliger Basis. Von 1.000 aufgerufenen Reservisten seien im Schnitt ein Viertel einsatzbereit. Ein Problem dabei: Auch Arbeitgeber müssten mitziehen und bereit sein, ihre Mitarbeiter für Einsätze gehen zu lassen, "was auch mal drei Monate bedeuten kann", so Müller.

Das Heimatschutzregiment hofft daher weiter auf freiwillige Reservisten. Etwa 1.000 würden zuverlässig gebraucht. 1.418 hätten sich bislang, Stand vergangenen Montag, gemeldet, außerdem 546 Ungediente. Bewerben könne sich jeder: Für den Einsatz in der Infanterie bis Jahrgang 1969, für andere Dienste bis zum 60. Lebensjahr. Aber auch dann dauert es noch, bis sie eingesetzt werden können. Bewerber würden einer langwierigen Prüfung unterzogen - auf links- oder rechtsextremistische und auch religiöse Gesinnung.

Quelle:

  • Pressekonferenz Landeskommando Nordrhein-Westfalen