In dem kleinen Eifelort Marmagen mit seinen 1.600 Einwohnern fällt das riesige Gebäude direkt auf. Die Eifelhöhenklinik war bis 2019 eine große Reha-Klinik. Nach der Insolvenz wurde das Gebäude erst als Impfzentrum für den Kreis Euskirchen genutzt, jetzt befindet sich darin eine überregionale Einrichtung zur Erstaufnahme von Flüchtlingen.
Gut 700 Flüchtlinge hat die Bezirksregierung Köln hier bislang untergebracht – halb so viele, wie der Ort Einwohner hat. Das sorgt in Marmagen für Diskussionen. Anwohner berichten, es hätten sich zwei Lager im Ort gebildet. "Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, Menschen aufzunehmen", berichtet eine Anwohnerin. "Das sind so viele junge Männer – und alle jungen Männer wollen genau dasselbe wie unsere jungen Männer. Und wenn die an keine Frauen rankommen – ich weiß nicht, wie die Stimmung sich hochschaukeln könnte", fürchtet eine andere.
Nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine
Die Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan, Irak und der Ukraine – aber eben nicht nur aus der Ukraine, wie zunächst von vielen angenommen worden war. Bruno Schmidt fühlt sich deshalb betrogen.
Auseinandersetzungen in der Unterkunft
In Marmagen treffen viele Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kreisen zusammen. Es gibt Videos von Auseinandersetzungen in der Unterkunft, die Anzahl der Straftaten im Ort ist mittlerweile gestiegen. Deshalb möchte Bürgermeister Norbert Crump (CDU) die Polizei vor Ort aufstocken und Bürgersprechstunden ausweiten.
"Wenn man jetzt die Bilder sieht, muss man sich fragen, wie menschenwürdig ist eine Unterkunft mit 700 Leuten, die als Notunterkunft auch reduzierte Betreuungsangebote hat und die eine fast nicht händelbare Auswirkung auf den Ort hat," fragt Crump. Er würde die Zahl der Flüchtlinge gern auf 200 bis 300 reduzieren.
Flüchtlingsministerin Paul wirbt um Akzeptanz
Aber NRW-Flüchtlings- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) ist dringend auf große Unterkünfte wie in Marmagen angewiesen. "Ich bin sehr dankbar, dass die Kommunen vor Ort unterstützen und Menschen aufnehmen", betonte Paul gegenüber dem WDR.
"Wir wollen die Kommunen entlasten als Landesregierung, das Puffersystem der Landeseinrichtungen weiter ausbauen. Das können wir nur gemeinsam mit den Kommunen und mit den Menschen vor Ort." Derzeit kommen ähnlich viele Menschen nach NRW wie 2015/16 auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise. Aber das Land hat wesentlich weniger Unterkunftsplätze zur Verfügung wie vor einigen Jahren. Deshalb dürfte die Einrichtung in Marmagen vorerst bleiben.
FDP: Asylkompromiss "überfällig"
"Es kann nicht sein, dass Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern mehr Flüchtlinge aufnimmt als Frankreich mit 65 Millionen Einwohnern", kritisierte unterdessen Marc Lürbke, Sprecher für Integration in der FDP-Landtagsfraktion. Den nun gefundenen Kompromiss zur europäischen Asylreform bezeichnete er als überfällig. "Mit den Vereinbarungen zu Grenzverfahren und zu einem europäischen Verteilmechanismus kann es gelingen, irreguläre Migration deutlich zu reduzieren", so Lürbke.
Josefine Paul hofft auf weitere Verhandlungen
Flüchtlingsministerin Paul bezeichnete es hingegen als "bitter", dass Kinder und Familien von den Grenzverfahren nicht – wie von Deutschland gefordert – ausgenommen werden. "Das ist so nicht gelungen", erklärte Paul. Sie hofft nun auf weitere EU-Verhandlungen, "wo sich Dinge auch noch einmal verändern werden."
Deutlicher äußerte sich Timon Dzienus, Bundessprecher der Grünen Jugend. "Diese Einigung muss gestoppt werden", teilte er per Twitter mit. Auch andere Grüne übten scharfe Kritik an den neuen Regelungen. "Die EU-Mitgliedsstaaten haben ihren moralischen Kompass verloren", monierte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament.
Baerbock verteidigt Kompromiss
Zustimmung zu den Beschlüssen kommt jedoch von den Grünen aus der Berliner Regierungskoalition. Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck verteidigten ihn unter Verweis auf die Notwendigkeit einer Einigung in Europa. Der jetzt erreichte Kompromiss sei absolut kein einfacher, teilte Baerbock mit. "Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätten beschließen können, dann sähe sie anders aus. Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Kein Kompromiss hätte bedeutet, dass gar keine Geflüchteten mehr verteilt werden."