Am Rande einer Delegationsreise von Abgeordneten aus NRW, bei der es um die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen im heutigen Namibia ging, hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im NRW-Landtag, Sven Tritschler, einen Kranz an einem Denkmal für deutsche Soldaten niedergelegt.
Über den Vorfall berichtete unter anderem die Co-Vorsitzende der Grünen im Landtag NRW, Verena Schäffer. Sie war ebenfalls mit auf der Delegationsreise in Namibia. Auf Instagram brachte sie noch vor Ort ihre Empörung zum Ausdruck.
Die AfD habe eine Kranz niedergelegt "ausgerechnet auf einem Friedhof im namibischen Swakopmund, wo es Massengräber für Angehörige des Volkes der Herero" gebe. Im 19. Jahrhundert hatten Deutsche Kolonialbesatzer Herrero-Angehörige in ein Konzentrationslager bei Swakopmund gebracht, "wo sie sehr schwere Arbeit verrichten mussten und viele von ihnen gestorben sind", so Schäffer.
Was geschah in Namibia?
Der Völkermord an den Herero im heutigen Namibia gilt als der erste des 20. Jahrhunderts. Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia, damals "Deutsch-Südwestafrika". Von Beginn an bekämpften die Deutschen die lokale Bevölkerung immer wieder mit militärischer Gewalt.
1904 und 1905 befahl der Generalleutnant Lothar von Trotha die völlige Vernichtung der Angehörigen der Völker der Herero und der Nama, schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern.
Nach jahrzehntelangem Zögern erkannte die Bundesregierung 2021 die Massaker an den Herero und den Nama als Völkermord an, der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) bat die Nachkommen der Opfer um Vergebung. Deutschland sagte 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zu.
Grüne: "Verhöhnung der Opfer"
Auf dem Friedhof in Swakopmund steht bis heute auch ein Denkmal für hier gestorbene Deutsche. Unter der Inschrift "Sie gaben ihr Leben für dich" wird insgesamt 61 Deutschen gehuldigt, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hier umgekommen sein sollen.
Tritschlers Kranzniederlegung am Grab der deutschen Soldaten komme einer "Verhöhnung der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft" gleich, sagt Schäffer in ihrem Instagram-Video. Und später auf WDR-Anfrage: Diese Geste zeige "seine ganze Verachtung für die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen". Tritschler mache damit "eine Täter-Opfer-Umkehr ganz im Sinne der geschichtsrevisionistischen und rechtsextremen Haltung der AfD".
"Dass die AfD die Ausschussreise dafür missbrauchen konnte, das macht mich fassungslos", sagt Schäffer.
"Für uns als demokratische Abgeordnete", sagt sie betont, "war diese Reise sehr wichtig". Man habe eigene Eindrücke sammeln können, es gebe Wissenslücken auch in Deutschland, die es jetzt zu füllen gelte.
Tritschler sah sich "in der Pflicht"
Tritschler selber hatte das Foto von sich bei der Kranzniederlegung bereits auf seinem Instagramkanal gepostet. Die "Tageszeitung" hatte als erste darüber berichtet. Am Freitag legte Tritschler auf Instagram nochmal nach: Er werde sich nach seiner Rückkehr zu dem Vorgang äußern. Das Foto von der Kranzniederlegung postete er erneut.
Dem WDR sagte er auf Nachfrage schriftlich, der Kranz sei "für alle dort bestatteten deutschen Soldaten niedergelegt" worden. Er sei mit einer unbeschrifteten, schwarz-rot-goldene Schleife dekoriert. "Als deutscher Volksvertreter sah ich mich in der Pflicht, auch der deutschen Soldaten zu gedenken, die in der Schutztruppenzeit umgekommen sind", schreibt Tritschler. Der Kranz sei nach Beendigung der Delegationsreise niedergelegt worden.
Auch die SPD im Landtag reagierte empört: "Das Verhalten der AfD ist empörend und absolut inakzeptabel", sagte die innenpolitische Sprecherin Christina Kampmann em WDR. Die Reise habe das Ziel gehabt, "einen Beitrag zur Aussöhnung mit den Nama und Herero zu leisten". Dass der Abgeordnete der AfD nun ausgerechnet einen Kranz am Grab eines Offiziers ablegte, "der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Unrechtsregimes von damals zu etablieren, ist eine Verhöhnung der Opfer und an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten".
Quellen:
- Instagram Account Verena Schäffer (Grüne NRW)
- Instagram Account Seven Tritschler (AfD)
- AfD-Landtagsfraktion NRW
- SPD-Landtagsfraktion NRW
- Bundeszentrale für politische Bildung