Nach den erschütternden Missbrauchsfällen von Lügde hat sich die nordrhein-westfälische Landespolitik viele Gedanken darüber gemacht, in der Zukunft Kindesmissbrauch zu verhindern und den Schutz zu verbessern. Herausgekommen war im vergangenen Jahr ein Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses mit rund 4.000 Seiten.
"Land hat noch keinen Durchgriff"
Die SPD-Fraktion hat nun bei der Landesregierung nachgefragt, wie es mit der Umsetzung von dutzenden Punkten aussieht. Das Ergebnis aus Sicht der Sozialdemokraten ist enttäuschend. "Das Land hat beim Kinderschutz immer noch nicht einen Durchgriff", sagte am Donnerstag der Landtagsabgeordnete Andreas Bialas, der für die SPD auch Sprecher im weiterhin laufenden Untersuchungsausschuss "Kindesmissbrauch" ist.
Das zeige sich schon daran, dass sich viele Jugendämter nicht an der Beantwortung der Fragen beteiligt hätten. So habe die Landesregierung eine Online-Abfrage gestartet und von insgesamt 186 Jugendämtern in NRW sei nur von 88 eine Rückmeldung gekommen. "Und das beim Thema Kinderschutz ist schon sehr überraschend", so Bialas.
Jugendämter bräuchten Fachaufsicht
Es sei symptomatisch für das, was einem beim Thema sexueller Missbrauch von Kindern immer wieder begegne. "Jedes Jugendamt interpretiert seine gesetzliche Aufgabe selbst. Es gibt keine einheitlichen Vorgehensweisen, Strategien oder Standards." Die stärkste Waffe gegenüber den Jugendämtern in den Kommunen sei eine Empfehlung. "Somit ist und bleibt weiterhin unsere zentrale Forderung, dass die Jugendämter eine übergreifende Fachaufsicht brauchen", sagte Bialas.
Auch bei der Umsetzung von Gesetzen sieht die SPD Handlungsbedarf. So sei noch vor der Landtagswahl im vergangenen Mai ein neues Kinderschutzgesetz verabschiedet worden, in dem die Gründung von Netzwerken vor Ort vorgeschrieben werde. Die Antwort auf die Anfrage an die Landesregierung zeige nun, dass das nur teilweise passiere.
Nur bei 43 von 186 Jugendämtern sei bekannt, dass es ein solches Netzwerk für den Kinderschutz gebe, kritisierte Bialas. 39 weitere planten, es in diesem Jahr einzurichten. Ein weiteres wolle das 2024 tun. Von 98 Jugendämtern gebe es keine Informationen und 44 hätten mitgeteilt, dass es kein Netzwerk gebe. "Es ist eine Sache, ob Jugendämter Empfehlungen umsetzen. Aber es bleibt sogar fraglich, ob und wann Gesetze umgesetzt werden", bemängelte Bialas.