Im Jahr 2023 haben deutsche Sicherheitsbehörden so viel Kokain beschlagnahmt wie nie zuvor. 35 Tonnen wurden in diesem Jahr sichergestellt, bis Jahresende könnten es nach Informationen des NDR 40 Tonnen werden. "Das wäre für Deutschland der absolute Rekord", sagte Christian Hoppe vom Bundeskriminalamt. 2019 lag die Menge des gefundenen Kokains noch bei zehn Tonnen - doch der Markt entwickele sich rasant: In den vergangenen sechs Jahren verdoppelten sich die Kokainfunde alle zwei Jahre.
Erst im Oktober gelang den Fahndern die Festnahme von Mitgliedern einer Gruppe, die hunderte Kilogramm Kokain nach Deutschland geschmuggelt haben sollen.
Obwohl der Zoll seine Kontrollen entsprechend ausgeweitet hat, sind die Seehäfen - allen voran der Hamburger Hafen - offenbar zum Hauptumschlagplatz in Deutschland geworden. Das BKA führt das unter anderem darauf zurück, dass die Polizei in den Niederlanden und in Belgien verstärkt gegen Gewalttätigkeiten im Drogenschmuggler-Milieu vorgeht. Das könne dazu führen, dass Kokainschmuggler ihre Ware zunehmend über deutsche Seehäfen einführen, statt, wie bisher, bevorzugt über Rotterdam und Antwerpen.
Großdealer festgenommen auch in NRW
Aber auch bei der Polizei in NRW sind die Aktivitäten des internationalen Kokainschmuggels Thema. Vergangenen Freitag nahm die Polizei in NRW und Niedersachsen eine Gruppe mutmaßlicher Großdealer fest. Ermittelt werde jetzt gegen fünf Beschuldigte, sagte eine Sprecherin der Polizei in Recklinghausen. Die Spur führe bis nach Medellin in Kolumbien, wo in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Bundespolizei FBI einer der Verdächtigen festgenommen wurde. Allen fünf wird internationaler Drogenhandel und -schmuggel vorgeworfen. Sie sollen über Krypto-Messenger den Drogentransport von Kolumbien aus über den Seeweg in Seecontainern nach Europa organisiert haben.
Problem Crack: Kokain zum Rauchen
Während Kokain früher eher als Partydroge der "Manager und besser Situierten" galt, habe sich der Konsumentenkreis mittlerweile deutlich erweitert, sagt Olaf Schmitz, Leiter der Drogenhilfe "Kick" in Dortmund: Unter den Besuchern des Konsumraums der Einrichtung werde Heroin sehr häufig in Kombination mit "Crack" konsumiert - Kokain zum Rauchen.
Die erste Crackpfeife registrierten die Mitarbeitenden im "Kick" 2016 - mittlerweile mache die Droge 30 Prozent des Konsums unter den regelmäßigen Besuchern aus. Aber während die berauschende Wirkung von Kokain geschnupft bis zu einer Stunde anhält, ist sie bei Crack nach fünf bis 15 Minuten schon wieder vorbei. "Der Suchtdruck, nachlegen zu können, ist bei Crack sehr hoch", sagt Schmitz.
Die Folgen: Die Sorge um die Beschaffung neuer Mengen wird zum Hauptthema des Tages, eine starke Selbstvernachlässigung setze ein. In ihrer Abhängigkeit versuchten Betroffene meist durch Betteln, Diebstähle oder Prostituion an Geld für den nächsten "Stein" zu kommen. "Crack führt sehr schnell zu gesundheitlicher, psychischer und sozialer Verelendung", sagt Schmitz.
"Kokain ist durch Crack noch gefährlicher geworden"
Dabei sei das Gros der Besucher im Konsumraum "Kick" arbeitslos, rund ein Viertel sogar obdachlos. Der Grund, warum Kokain von der Luxusdroge zum Suchtmittel auch der sozial Schwachen werden konnte: "Die Verfügbarkeit auf dem Schwarzmarkt ist durch die verstärkten Einfuhren deutlich gestiegen, die Preise sind gesunken." Eine Pfeife Crack koste im Durchschnitt zwischen fünf und 15 Euro. Kokain als Droge sei somit noch einmal gefährlicher geworden.
Nach Angaben des Zollkriminalamts hat der Kokainanbau in Südamerika in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Anbauflächen und -methoden würden ständig verbessert. Für Dealer sei der Hamburger Hafen daher auch in Zukunft ein begehrter Umschlagplatz, sagt Tino Igelmann, Präsident des Zollkriminalamts.
Hafenmitarbeitende helfen Drogenschmugglern
Hinzu komme das Problem der sogenannten "Innentäter": Mitarbeitende des Hafens, die von den Drogenorganisationen gezielt angesprochen würden. Gegen attraktive Geldsummen sollen sie helfen, den illegalen Inhalt eingetroffener Container an den Augen der Polizei vorbei aus dem Hafen zu schmuggeln. Dabei zielten die Täter auf Personen ab, die möglicherweise finanzielle Probleme hätten, sagt Igelmann. Die gebotenen Summen seien für sie "durchaus lukrativ".
Eine Hafenmitarbeiterin war zuletzt als Helferin aufgeflogen. Sie sollte mit dafür sorgen, Container aus dem Hafen zu schaffen, die insgesamt mehr als eine Tonne Kokain enthielten - im Wert von über 30 Millionen Euro. Doch die Aktion scheiterte, die Frau wurde zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Mit einer "Awarenesskampagne" sollen Mitarbeitende in den Häfen nun für das Risiko sensibilisiert werden.
Unsere Quellen:
- NDR-Interview mit Christian Hoppe, Bundeskriminalamt
- NDR-Interview mit Tino Igelmann, Präsident des Zollkriminalamts
- Rauschgiftkriminalität Bundeslagebild 2022 (BKA)
- Rauschgiftkriminalität – Lagebild NRW 2022 (LKA NRW)
- Nachrichtenagentur dpa
- WDR-Interview mit Olaf Schmitz, Leiter der Drogenhilfe "Kick" in Dortmund