Gewalt in der Beziehung: Frauen nehmen Anzeichen oft nicht wahr

Stand: 25.11.2022, 09:28 Uhr

In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner gewalttätig angegriffen. Frauen suchen in gewalttätigen Beziehungen oft zunächst die Schuld bei sich, sagt eine Beraterin. Das Umfeld solle klare Haltung gegen Gewalt zeigen - aber keinen Druck ausüben.

Von Christina Höwelhans

Die Zahlen sind erschreckend: In Deutschland sind laut Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr fast 144.000 Menschen von ihrem Partner oder Ex-Partner gewalttätig angegriffen worden. Meistens trifft es Frauen, nämlich in drei von vier Fällen. Das heißt: In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen in ihren Beziehungen oder Ex-Beziehungen Opfer von Gewalt.

"Gewalt in der Partnerschaft gibt es überall: In der Mitte der Gesellschaft, genauso wie am Rand." Lisa Paus, Bundesfrauenministerin

Bei Partnerschaftsgewalt geht es um Körperverletzung wie Ohrfeigen oder Anspucken. Aber auch psychische Gewalt wie Bedrohung und Stalking zählen dazu. 113 Frauen sind im vergangenen Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet worden.

Frauenberaterin: Schleichender Prozess bis zur körperlichen Gewalt

Körperliche Gewalt sei meistens die Spitze des Eisberg von Gewalt in Partnerschaften, sagt Martina Schmitz, Geschäftsführerin des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen NRW: "Es ist in der Regel ein schleichender Prozess." Eine ungesunde Beziehung zeige sich zu Beginn durch Herabsetzungen und Beleidigungen, die Wünsche der Frau spielten keine Rolle. Oft versuche der Partner sie zu isolieren und mache ihre Freundinnen schlecht, so Schmitz: "Das sind Zeichen dafür, das der Partner Kontrolle über die Partnerin erlangen möchte."

Die psychische Gewalt werde oft gar nicht von den Frauen als Gewalt wahrgenommen. Sie suchen die Schuld bei sich, so Schmitz: "Und sie entschuldigen den Partner: 'Ach, der hat heute einen schlechten Tag gehabt.'" Die Partner müssen in der Öffentlichkeit nicht als besonders aggressiv auffallen, so Schmitz.

Hilfetelefon als erste Anlaufstelle

Schmitz rät betroffenen Frauen dazu, sich frühzeitig Hilfe zu suchen, beispielsweise das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen anzurufen. Dort könne man sich bei Zweifeln an der Beziehung eine Rückmeldung holen. Auch Freundinnen und Familienangehörige könnten Warnzeichen erkennen, so Schmitz: Wenn eine Frau häufig Verabredungen absage oder abwesend, verschlossen und erschöpft wirke, solle man aufmerksam werden. Auch Gewichtsverlust und Verletzungen könnten Hinweise sein. Außerdem könne der Umgang der Partner untereinander auffällig sein: Etwa weil die Frau die eigene Meinung dem Mann unterordne oder der Mann die Frau vor anderen lächerlich mache.

Beraterin: Umfeld sollte keinen Druck ausüben

Für das Umfeld sei wichtig zu wissen, dass die Frauen sich in einer ambivalenten Situation befinden, sagt Beraterin Schmitz: "Die Frau möchte ja eigentlich nur, dass die Gewalt aufhört. Die Beziehung möchte sie eigentlich weiterführen." Druck von außen helfe deshalb nicht, auch solle nichts über den Kopf von Betroffenen hinweg entschieden werden.

Wichtig sei es, eine klare Haltung gegen Gewalt zu zeigen und gleichzeitig zuzuhören und zu trösten. Praktisch helfe könne man, indem man Kontakt zu einer Beratungsstelle herstellt, so Schmitz, aber: "Es geht darum, die Wünsche der Betroffenen zu respektieren."