Drei Mal so hohe Abschläge auf Gas? Das müssen Verbraucher jetzt wissen

Stand: 14.07.2022, 13:08 Uhr

Die Bundesnetzagentur rechnet mit Gas-Abschlägen in dreifacher Höhe. Das wird viele Menschen hart treffen. Was dürfen die Gasanbieter, und was nicht? Und werden Privathaushalte bei einer Notlage nachrangig versorgt?

Die Lage beim Gas ist unübersichtlich. Sicher scheint nur: Die Preise werden steigen. Wie weit, das hängt von vielen Faktoren ab. Was Verbraucher jetzt wissen müssen.

Auf welchen Gaspreis muss ich mich einstellen?

Die Verbraucher müssen für Erdgas wohl bald deutlich mehr bezahlen. Damit rechnet die Bundesnetzagentur. "Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens", sagte Behördenchef Klaus Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Schon bei den aktuellen Abrechnungen hätten sich die Kosten etwa verdoppelt - noch ohne die Folgen des Ukraine-Kriegs. Es sei "absolut realistisch", dass Kunden, die derzeit 1.500 Euro im Jahr für Gas bezahlen, künftig mit 4.500 Euro und mehr zur Kasse gebeten werden, so Müller.

Wann dürfen Gasanbieter ihre Preise anheben?

Gasanbieter sind an gültige Verträge mit ihren Kunden gebunden. Wenn der Vertrag ausläuft, können sie die Preise anpassen. Das ist aber auch früher möglich, wenn das Bundeswirtschaftsministerium die "Notfallstufe" ausruft. Das ist die höchste der drei Eskalationsstufen des "Notfallplan Gas" Die beiden ersten Stufen wurden bereits im März ("Frühwarnstufe") und im Juni ("Alarmstufe") ausgerufen.

Sobald die "Notfallstufe" festgestellt wurde, darf der Staat in den Markt und in die Versorgung eingreifen. Das Energiesicherungsgesetz hält dafür zwei Instrumente bereit: Paragraf 24 sieht vor, dass Energieversorger gestiegene Beschaffungskosten eins zu eins an die Haushalte weitergeben können.

Alternativ dazu könnte künftig der neu geschaffene Paragraf 26 genutzt werden. Dieser regelt den sogenannten Umlagemechanismus. Damit sollen die höheren Gaspreise auf alle Kunden gleichmäßig verteilt werden können - unabhängig vom jeweiligen Gasanbieter.

Die beiden Paragrafen 24 und 26 stehen gleichberechtigt nebeneinander. Welcher zum Einsatz kommt, entscheidet die Bundesregierung. Ob und wann eines der beiden Instrumente aktiviert wird, ist offen.

Was kann ich als Gaskunde selbst tun?

Die Menschen müssten jetzt vorsorgen - und zwar sowohl technisch wie finanziell, sagte Bundesnetzagentur-Chef Müller. "Erhöht freiwillig euren Abschlag oder legt jeden Monat etwas Geld zurück, etwa auf ein Sonderkonto."

Und: "Redet mit eurem Vermieter oder einem Handwerker, wenn er noch verfügbar ist. Was kann man tun, um die Heizung zu optimieren?" Etwa die Hälfte der Gasthermen in Deutschland sei nicht gut eingestellt. Mit kleinem Aufwand lasse sich "ein großer Spareffekt erzielen".

Wie ist der Stand bei der Turbine für Wartung von Nord-Stream 1?

Die momentan laufende Wartung von Nord Stream 1 soll am 21. Juli beendet werden. Ob die Pipeline danach wieder in Betrieb geht, wollte der russische Gazprom-Konzern am Mittwoch nicht garantieren. Grund sei eine fehlende Bestätigung, dass eine reparierte Turbine aus Kanada geliefert werde.

Die kanadische Regierung hatte am Wochenende offiziell bekannt gegeben, dass die Turbine nach Deutschland geliefert werden darf. Eine direkte Lieferung an Gazprom hätte gegen kanadische Sanktionen gegen Russland verstoßen. Der für die Installation verantwortliche Siemens-Konzern hatte zuletzt angekündigt, die Turbine so schnell wie möglich zu installieren.

Wie wirkt sich ein Lieferstopp auf Privatkunden aus?

Ein Szenario, in dem kein Gas mehr bei den Menschen zu Hause ankomme, halte er für "nicht sehr wahrscheinlich", sagte Bundesnetzagentur-Chef Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Selbst im schlimmsten Szenario wird Deutschland weiter Gas bekommen aus Norwegen und von Terminals aus Belgien oder Holland, demnächst auch direkt von Terminals an der deutschen Küste."

Müller wies außerdem Befürchtungen zurück, dass Privathaushalte im Fall einer Gasmangellage nachrangig versorgt werden könnten. "Die deutsche und die europäische Rechtslage sehen vor, private Haushalte bis zum Ende zu schützen", sagte Müller.

Hintergrund sind Überlegungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die EU-weite Priorisierung von Verbrauchern und kritischer Infrastruktur vor der Industrie bei der Zuteilung von Gas zu überdenken.

Was sieht der Notfallplan der EU-Kommission vor?

Derzeit arbeitet die EU-Kommission an einem Gas-Notfallplan. Der Entwurf soll in der kommenden Woche vorgestellt werden. Ein paar Details sind bereits bekannt. Dazu gehört der Vorschlag, dass in öffentlichen Gebäuden und Geschäftsgebäuden weniger geheizt wird.

Als mögliche Obergrenze nennt die EU-Kommission dabei eine Temperatur von 19 Grad. Diese reduzierte Heiztemperatur sollen die EU-Staaten nach der Vorstellungen aus Brüssel im Winter anordnen dürfen. Diese Maßnahme kann von den Mitgliedsländern umgesetzt werden - muss aber nicht.

Über dieses Thema berichtet am Donnerstag, 14.07.2022 unter anderem auch die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen um 18:45 Uhr.