Geht die türkische Megaparty weiter? Aktuelle Stunde 22.06.2024 37:20 Min. UT Verfügbar bis 31.12.2024 WDR Von Alexander Klein

Türkische Fans in Köln – "Fußball ist nur ein Spiel"

Stand: 23.06.2024, 09:18 Uhr

Die Türkei hat am Abend gegen Portugal gespielt - die Kölner Straßen sind voller türkischer Fans. Aber wie erlebt die türkische Community diese EM? Ist es eine Heim-Europameisterschaft? Die Antwort ist nicht einfach, wie unsere Reporterin auf den Kölner Straßen erfahren hat.

Von Catharina Coblenz

Kurz vor dem EM-Spiel Türkei gegen Portugal stehen Mehmet und Murat mit ein paar Stammkunden vor Mehmets Restaurant in Köln-Kalk. Mehmet hat den Laden vor knapp zwei Jahren übernommen. Er ist seit 45 Jahren in Deutschland, sein Vater war einer der ersten türkischen Gastarbeiter. Murat kümmert sich um alles Mögliche was im Laden anfällt. Der Fernseher läuft schon - die türkischstämmigen Gäste bleiben heute jedoch größtenteils aus. Nur Stammgast Deniz kommt kurz vor Anpfiff in den Laden.

Parallel dazu sind die Straßen in Dortmund voll, weil viele Fans mit dem Auto gekommen sind. Darüber hinaus marschieren rund 30.000 türkische Fans schon vor dem Spiel zum Stadion und die Besucherzahlen im Westfalenpark sind rekordverdächtig.

"Wir sind für die Türkei"

Inhaber Mehmet, daneben Deniz und Murat | Bildquelle: WDR/Catharina Coblenz

Zu dem Türkei-Spiel gegen Portugal sind sich Mehmet, Murat und Deniz einig: "Wir sind für die Türkei." Aber was wäre, wenn die Türkei gegen Deutschland spielen würde? Dann würden sie den Sieg letztendlich beiden Mannschaften gönnen. Denn: Für die Türkei zu sein, heißt nicht zwangsläufig, gegen die deutsche Nationalmannschaft zu sein.

"Ich lebe in einer Straße, in der sonst nur Deutsche wohnen und ich bin der einzige dort, der eine Deutschlandfahne auf dem Balkon hat." Deniz, Stammgast im Restaurant

Auch Stammgast Deniz kommt gebürtig aus der Türkei - aufgewachsen ist er jedoch in Köln. Hier fühlt er sich zu Hause und daher ist es für ihn am spannendsten, wenn der 1. FC Köln spielt, denn das ist sein Verein.

Deutsche mit türkischen Wurzeln

Neidet Demir | Bildquelle: WDR/Catharina Coblenz

Ein Stück weiter in der Weidengasse leitet Neidet Demir ein türkisches Restaurant. Heimat ist für ihn die Türkei und daher steht er auch hinter der türkischen Nationalmannschaft – egal, gegen wen sie spielt.

Duhan und Nuyan | Bildquelle: WDR/Catharina Coblenz

Vor seinem Restaurant schauen sich Duhan und Nuyan das Spiel gerade an. Beide sind in Deutschland geboren und fühlen sich auch als Deutsche. Dennoch: Bei der Fußball EM halten sie absolut zu der Türkei. Warum? Duhan erklärt, dass das an den "Wurzeln" liege. Die Eltern kommen aus der Türkei, zu Hause wird viel türkisch gesprochen und "wenn man diese Wurzeln hat, dann pflegt man sie auch."

"Das Herz schlägt für die Türkei" Neidet Demir
Fans der Türkei in der Weidengasse | Bildquelle: WDR/Catharina Coblenz

Kurze Zeit später verliert die Türkei 0:3 gegen Portugal. Eine Gruppe türkischer Fans kommt aus der Shisha Bar nebenan, in der das Spiel eben auch noch hochkonzentriert verfolgt wurde. Sie sind enttäuscht, nehmen die Niederlage aber mit Humor: "Am Anfang hatten wir echt eine Chance, da waren wir echt gut dabei - bis zur 6. Minute." Auch sie sind Deutsche, mit Wurzeln in der Türkei. Zurzeit wären sie für die Türkei, aber wenn diese aus der EM ausscheiden sollte, dann wären sie ganz für Deutschland.

Möge die bessere Mannschaft gewinnen

Türkei-Fans feiern auf den Ringen in Köln | Bildquelle: WDR/Catharina Coblenz

Nach der Niederlage leeren sich die Restaurants und Bars in der Weidengasse sehr schnell - einige Fernseher werden schon abmontiert und Fahnen, die nur für das Spiel angebracht wurden, werden wieder abgehangen. Anders sieht es auf den Kölner Ringen aus. Hier feiern die türkischen Fans ausgiebig - eine große Menschenmenge läuft mit Türkei-Flaggen und lauten Gesängen Richtung Kaiser-Wilhelm-Ring, daneben auf der Straße findet ein Autokorso statt, mit wehenden Fahnen und permanentem Hupen.

"Die türkischen Fans feiern gerne. Die nutzen jede Gelegenheit." Türkischer Fan in Köln
Numan, Malik und Cem auf den Kölner Ringen | Bildquelle: WDR / Catharina Coblenz

In diesem Getümmel bereiten Numan, Malik und Cem ihr Auto für den Autokorso vor - auf der Motorhaube befestigen sie die türkische Fahne. Dass die Türkei das Spiel verloren hat, würde sie nicht davon abhalten zu feiern. Malik erzählt, dass sein Opa schon als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen ist und dass er und seine Freunde schon die dritte Generation hier in Deutschland sind. Dennoch würden sie bei der Fußball-EM zu der Türkei halten. Wenn die Türkei gegen Deutschland spielen würde, würde es jedoch schon schwierig - Dann "solle die bessere Mannschaft gewinnen".

"Fußball ist nur ein Spiel"

Malik ist außerdem stolz darauf, dass türkische Spieler, wie Can und Gündogan für Deutschland spielen. Aber: "Fußball ist nur ein Spiel" - da waren sich viele der Türkei-Fans einig - und als solches habe es nichts mit Politik zu tun. Die Fußballer sollten daher auch nur nach ihrem Talent bewertet werden.

Für einige Fans in der Weidengasse war es auch wichtig zu betonen, dass sie sich in Deutschland zu Hause fühlen, auch wenn sie bei der EM zu der türkischen Mannschaft halten. Denn der Fußball ist auch für sie nur ein Spiel - "es ist unterhaltsam". Gerade diese Straße wäre für viele hier ein Zuhause und manche würden hier schon ihr ganzes Leben lang wohnen. Hier wären aber neben der türkischen Community auch viele andere Nationalitäten vertreten. Und mit einem Lachen heißt es weiter: "Hier läuft das mit der Integration - die Ausländer können das eben besser."

"Deutsch" oder "Türkisch" - das sind für die türkischen Fans nicht zwangsweise Gegensätze. Das gefühlte Zuhause ist dabei oft noch viel lokaler - wie beispielsweise die Weidengasse, oder auch die Stadt in der man lebt und deren Fußballverein.

Quellen:

  • Gespräche mit Türkei-Fans
  • WDR-Reporterin vor Ort