Im Unterricht zeigt Rolf Haßelkus Karikaturen zum Christentum und dem Islam. "Nicht die von Charlie Hebdo – die waren mir zu hart”, erklärt der Bonner Realschul-Lehrer. Haßelkus möchte keine Gefühle verletzen, sondern aufklären: über Kunst- und Meinungsfreiheit.
Junge Muslime, die religiöse Gesetze über die deutschen stellen: Auf einer Demo der extremistischen Gruppierung “Muslim Interaktiv” waren zuletzt Plakate mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ zusehen. Sie wollen für Deutschland nichts weniger als einen Gottesstaat, der von einem religiösen Führer regiert wird.
Erst vor wenigen Wochen hatte eine nicht-repräsentative Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) für Schlagzeilen gesorgt: Dort stimmten 45,8 Prozent der befragten Muslime der Aussage zu, ein islamischer Gottesstaat sei die beste Staatsform.
Es gibt viel Kritik an der Studie, die sich auf Niedersachsen beschränkt. Denn nur etwa 300 muslimische Neuntklässler hatten geantwortet. Generelle Aussagen über Gläubige in Deutschland lassen sich also nicht ableiten, sagt auch das KFN selbst. Trotzdem: Die Ergebnisse irritieren viele. Das neue Reportage-Format “Die andere Frage” hat mit einigen jungen Muslimen über ihre Sicht auf Scharia und deutsche Gesetze gesprochen. Nicht selten lautet die Antwort auch hier erstaunlich offen: Im Zweifel stehen islamische Regeln über deutschen Gesetzen.
Auch der Bonner Lehrer Haßelkus nimmt diese Strömungen wahr. Wer an seiner Schule den Koran strenger interpretiert, übt oftmals auch Druck auf muslimische Mitschülerinnen aus – beispielsweise ein Kopftuch zu tragen. Eine Entwicklung, die Yasin El Atmani mit Sorgen beobachtet. Er ist bei der SPD aktiv, engagiert sich aber auch an einer Dortmunder Moschee, wo er Jugendliche betreut.
Verantwortlich dafür sei auch eine neue Entwicklung: Radikale Prediger nutzen die sozialen Medien – ohne Kontrolle durch die Moschee. “Damals hatten wir noch Prediger, die von Moschee zu Moschee gewandert sind. Jetzt werden wir mit Videos konfrontiert – auch von Jugendlichen, die hier zur Moschee gehen.” Auf Tiktok und Instagram sehen die Jugendlichen Videos, in denen ihnen der vermeintlich richtige Islam vorgegeben wird: Frauen dürfen demnach nicht ohne männliche Begleitung reisen. Wer seinen Geburtstag feiern will, sündige.
Steht die Scharia für einige junge Muslime in Deutschland über allem? Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig. Wenn muslimische Schüler ausgegrenzt würden, so Rolf Haßelkus, hätten radikale Einflüsse leichtes Spiel: “Sie erleben Diskriminierung, das kann man ja nicht abstreiten. Und andererseits wollen sie stark sein und in ihrem Gefühl, jetzt stark zu sein, lassen sie sich zu radikalen Äußerungen hinreißen.”
Was also tun, wenn für Jugendliche die Scharia über allem steht? Man muss Jugendlichen reden, zuhören, erklären - die, die orientierungslos sind, auffangen. Aber eben auch klar machen: Am Ende ist das deutsche Gesetz und die Demokratie die Basis dafür, wie wir alle zusammenleben.