Der Versuch, Konsum und Besitz von Cannabis zu legalisieren, geht in die nächste Runde. Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Herbst 2022 ein Eckpunkte-Papier vorgelegt hatte, hat am Mittwoch das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Lauterbach sieht in dem Gesetz eine "langfristige Wende in der deutschen Drogenpolitik", sagte er am Mittag in einer Pressekonferenz.
Das ist geplant
- Bislang ist Cannabis im Betäubungsmittelgesetz als verbotene Substanz aufgeführt. Dieser Eintrag soll gestrichen werden. Laut Lauterbach machten Cannabis-Delikte derzeit rund 50 Prozent der Drogenkriminalität in Deutschland aus
- Der Besitz von 25 Gramm Cannabis soll Personen ab 18 Jahren zukünftig erlaubt werden
- Personen ab 18 Jahren dürfen bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenanbau besitzen
- In sogenannten "Anbauvereinigungen" dürfen Cannabis-Pflanzen angebaut werden. Die Produkte dürfen an die Vereinsmitglieder ausgegeben werden. Dabei gelten verschiedene Vorschriften, was die abzugebende Menge, Größe und Standort der Vereinigungen sowie Jugendschutzmaßnahmen angeht.
- Das Gesetz könnte laut Bundesgesundheitsministerium Ende des Jahres 2023 in Kraft treten.
Ursprünglich war eine weitreichendere Legalisierung im Gespräch. So war in einem Eckpunktepapier, das Lauterbach im Herbst 2022 vorgestellt hatte, die Einrichtung von "lizensierten Fachgeschäften" ähnlich der niederländischen "Coffeeshops" geplant, in denen man Cannabisprodukte kaufen konnte. Davon ist im aktuellen Entwurf keine Rede mehr.
Wie funktioniert der Anbau und Kauf?
Stattdessen will Lauterbach den Anbau in "Anbauvereinigungen" zulassen, die Genossenschaften ähneln sollen und von den Behörden genehmigt werden müssen. Dort soll der "gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Aubau" erlaubt sein. Die Vereinigungen dürfen Cannabis nur an ihre volljährigen Mitglieder weitergeben, und das auch nur im bestimmten Rahmen: maximal 25 Gramm pro Tag und maximal 50 Gramm im Monat. Für Personen zwischen 18 und 21 Jahren gilt die Obergrenze von 30 Gramm pro Monat. Der THC-Gehalt muss bei dieser Altersgruppe auf maximal 10 Prozent begrenzt sein.
Eine Anbauvereinigung darf höchstens 500 Mitglieder haben. Man kann nicht gleichzeitig Mitglied in mehreren Vereinigungen sein. Werbung und Sponsoring für die Vereinigungen soll verboten sein, zudem darf auf dem Gelände kein Cannabis konsumiert werden. Der Anbau wird behördlich überwacht und regelmäßig kontrolliert. Nicht-Mitglieder dürfen dort kein Cannabis erwerben, wohl aber Samen und Stecklinge für den Eigenanbau.
Beipackzettel zu Gesundheitsgefahren vorgeschrieben
Die Produkte, die in den Anbauvereinigungen weitergegeben werden, müssen einen Beipackzettel haben. Auf diesem muss u.a. die Menge und Stärke angegeben sein, zudem ist ein Hinweis auf die Gesundheitsgefahren verpflichtend. Auch muss jeder Verein einen Präventionsbeauftragten benennen. Das Gesundheitsministerium sieht darin ein geeignetes Mittel, den Schwarzmarkt zurückzudrängen und dafür zu sorgen, dass weniger gestrecktes und verunreinigtes Cannabis im Umlauf ist.
Alexander Zierden vom "Cannabis Social Club Düsseldorf" verspricht sich von den Vereinigungen einen Austausch unter Konsumenten, bei dem zum Beispiel Fragen zur Dosierung geklärt werden können. Auch können man bei problematischem Konsumverhalten besser intervenieren, sagte Zierden dem WDR.
Wie gefährlich ist Cannabis?
Thomas Fischbach vom Verband der Kinder- und Jugendärzte ist strikt gegen eine Abgabe von Cannabis an Heranwachsende und junge Erwachsene. Die Hirnreifung sei bis zum Alter von 25 Jahren noch nicht abgeschlossen, sagte er dem WDR im vergangenen Herbst. Der Cannabis-Wirkstoff THC würde die Verschaltung von Nervenzellen im Gehirn unterbinden oder sehr stark verhindern. Diese Schäden seien nicht mehr rückgängig zu machen.
Der Suchtmediziner Rainer Thomasius warnte im Interview mit "Phoenix" vor "Psychosen, Angststörungen, kognitiven und depressiven Störungen" als Folgeschäden des regelmäßigen Cannabis-Konsums. Er verwies auf Studien, nach denen regelmäßiger Cannabis-Konsum bei Jugendlichen den IQ um bis zu zehn Punkte vermindere.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach sagte, er nehme den Kinder- und Jugendschutz sehr ernst. So kündigte er eine groß angelegte Kampagne an, die die gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums thematisieren soll. Dabei soll vor allem auf die Möglichkeit von Hirnschäden für Unter-25-Jährige hingewiesen werden. Laut dem Gesetz soll der Konsum von Cannabis im Umkreis von 200 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Sportstätten verboten bleiben.
Werden Justiz und Polizei entlastet?
Durch die Teillegalisierung von Cannabis sollen Polizei und Justiz weniger Arbeit mit Bagatelldelikten haben, so der Plan der Koalition. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu einer Entlastung der Gerichte führen wird", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Das Bundesgesundheitsministerium rechnet mit einer Kostenentlastung bei Strafverfolgungsbehörden, Gerichten und Gefängnissen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr.
Der Deutsche Richterbund (DRB) kritisierte hingegen den Entwurf. Das geplante Gesetz sei "kleinteilig" und führe zu einem "hohen behördlichen Kontrollaufwand" sowie vielen "neuen Streitfragen", sagte der DRB-Geschäftsführer Sven Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Polizeigewerkschaft GdP ist gegen die Legalisierungspläne. Der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke forderte laut dpa, den Gesetzentwurf zu stoppen. Gesundheitsminister Lauterbach müsse die Aufgabe erteilt werden, massiv nachzubessern.
Wie geht es weiter mit der Legalisierung?
Nachdem das Kabinett den Entwurf beschlossen hat, wandert er ins Parlament. Dort soll das Gesetz im Herbst im Bundestag und Bundesrat beraten werden. Laut Bundesgesundheitsministerium müssen die Bundesländer den Kernpunkten des Gesetzes nicht zustimmen.
In einem zweiten Schritt will das Bundesgesundheitsministerium die Legalisierung ausweiten und in ausgewählten Modellregionen den Cannabis-Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften testen. In NRW hatten laut WDR-Informationen unter anderem Köln und Münster Interesse signalisiert, als Modellregionen zur Verfügung zu stehen. Das NRW-Gesundheitsministerium hat sich gegenüber dem WDR allerdings gegen diese Pläne ausgesprochen. Wann diese Pläne konkret angegangen werden, ist derzeit unklar.
Dazu kommt: Auch die EU hat Einfluss auf die Legalisierungspläne. So muss geprüft werden, ob die deutschen Gesetze mit dem EU-Recht in Einklang stehen.
Mit Material der Agenturen RTR, AFP und dpa