"Freunderlwirtschaft" von Petra Hartlieb

Stand: 16.08.2024, 14:18 Uhr

"Freunderlwirtschaft", der neue Roman von Bestseller-Autorin Petra Hartlieb, ist ein spannender und amüsanter Ausflug in die Abgründe des österreichischen Politikbetriebs. Eine Rezension von Andrea Gerk.

Petra Hartlieb: Freunderlwirtschaft
DuMont, 416 Seiten, 18 Euro.

"Freunderlwirtschaft" von Petra Hartlieb Lesestoff – neue Bücher 30.08.2024 04:56 Min. Verfügbar bis 30.08.2025 WDR Online Von Andrea Gerk

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"Auch wenn Sie glauben, dass Ihnen in diesem Roman einiges bekannt vorkommt, möchte ich betonen: Die Geschichte ist zur Gänze von mir ausgedacht."

…stellt Petra Hartlieb ihrem so unterhaltsamen wie spannenden Ausflug in die Abgründe der österreichischen Politik voran. Wer auch nur ein bisschen was von all den Affären der letzten Jahre mitbekommen hat – Stichwort "Ibiza" oder Kanzler Kurz – kommt nicht umhin, diesen Roman auch als ironischen Kommentar zur anstehenden Wahl in Österreich zu lesen:

"Die waren nicht sauber. Denen ging es nicht um das Wohl des Landes, das war höchstens der romantische Beginn ihrer politischen Karriere gewesen. Nun ging es um Geld, Macht und Privilegien, und auch wenn Frauen irgendwie mitspielen durften, war es ein Männerzirkel wie schon seit jeher. Verschlossen, kameradschaftlich und gnadenlos. Wo man hinsah, die Jungs hielten eisern zusammen, einfach weil es ein Prinzip war, aber auch, weil jeder vom jeweils anderen etwas in der Hand hatte, etwas, mit dem man erpressbar war."

Aber mal von vorne: Hartliebs Hauptfigur ist die junge Hauptkommissarin Alma Oberkofler, die gerade von Linz nach Wien versetzt worden ist, um dort die 'Abteilung Leib und Leben' zu leiten. Kaum vier Tage ist sie im Dienst, als sie einen brisanten Fall auf den Tisch bekommt: Max Langwieser, Minister für Tourismus und Landwirtschaft, wird tot in seiner Penthouse-Wohnung gefunden:

"Todeszeitpunkt ist noch nicht lange her. Höchstens zwei Stunden, vielleicht weniger. Tod durch stumpfe Kopfverletzung, der junge Mann ist vermutlich gegen einen scharfkantigen Glastisch gefallen. Ob ihm das ganz allein gelungen ist, müssen wir erst rausfinden."

Der erste Verdacht fällt auf Langwiesers Verlobte Jessica Pollauer, denn die hat in ihrem roten Mini-Cabrio die Flucht ergriffen und in ihrer Panik auch noch Max‘ Laptop eingesteckt. Ansonsten weiß sie aber durchaus, worauf es jetzt ankommt:

"Geld. Sie brauchte Geld. Schließlich hatte sie genug Krimis gelesen und genug Sonntagabende Tatort geschaut, um zu wissen dass die Spuren über das Handy oder über die Kartenzahlungen und Geldabhebungen liefen."

Jessica hebt so viel Bargeld wie möglich ab, wirft – schweren Herzens – ihr Smartphone weg und taucht erstmal unter. Bald gibt es den nächsten Toten und die Ermittlungen führen Alma und ihre Kollegen in allerhöchste Polit-Sphären. Bundeskanzler Fercher, mit dem der tote Max Langwieser eng befreundet war, erinnert nicht von ungefähr an den früheren österreichischen Kanzler Sebastian Kurz:

"Er trug einen perfekt sitzenden Slim-fit-Anzug, dunkelblau, darunter ein helles Hemd, den obersten Knopf geöffnet, keine Krawatte. Das Wort 'leger' fiel Alma ein, und sie zuckte ein wenig zurück, als er ihre Hand in beide Hände nahm und einen Moment zu lange drückte. Der Kanzler war größer und schlanker, als sie ihn aufgrund der Fotos und Fernsehbeiträge eingeschätzt hätte."

"Freunderlwirtschaft" ist eine schillernde und sehr amüsante Persiflage auf den von Skandalen gebeutelten österreichischen Politikbetrieb und damit kurz vor der Wahl Ende September die ideale Begleitlektüre für alle, die sich für die lukrativen Verwicklungen zwischen Wirtschaft und Politik interessieren. Aber natürlich kann dieser Roman sehr viel mehr und überzeugt vor allem mit ebenso originellen wie sympathischen Figuren. Die Oberkommissarin Alma, bei der ein traumatisches Kindheitserlebnis die Berufswahl bestimmt hat, ihre zwei Kollegen – der kurz vor der Pensionierung stehende tiefenentspannte Robert Kolonja und sein überambitionierter junger Kollege Tarik Babic – möchte man ebenso gern wiedertreffen wie die nette Pathologin Barbara "Babsi" Führer, mit ihren blau leuchtenden Augen und Almas Freund, den finnische Mathematiker Antti, den sie auf Sylt kennengelernt hat und der nur deshalb angefangen hat, Deutsch zu lernen, weil er die Bibel der Mathematiker "Gödel, Escher, Bach" im Original lesen wollte. Sie alle und Petra Hartliebs Humor machen Freunderlwirtschaft zu einem großen Lesevergnügen, bei dem man sich wünscht, dass die Autorin schon über dem nächsten Fall für Alma Oberkofler & Co sitzt.