Gleich reihenweise fühlen sich die Kommunen von der WestLB über den Tisch gezogen. Schätzungsweise 100 Städte ließen sich von der Bank sogenannte "Swaps" verkaufen, hochkomplizierte Zinsderivate. Welche Risiken dahinter steckten, merkten viele Stadtväter offenbar erst, als es zu spät war. Betroffen ist zum Beispiel die Stadt Steinfurt im Münsterland. Sie schloss mit der WestLB gleich drei Verträge auf Basis des Schweizer Franken ab. Einer der Millionenverträge endet im April 2013. Ein entscheidendes Datum für die Stadt. Denn entscheidend über Gewinn oder Verlust dieses Geschäfts ist, wie sich der Wechselkurs des Schweizer Franken gegenüber dem Euro bis dahin entwickelt. Die Stadt hat auf einen niedrigen Kurs gewettet. Wegen der Eurokrise steht der Franken aber derzeit bei stattlichen 1,20 Euro. Bleibt der Kurs bis April unter 1,30 Euro, wird es teuer für die Stadt.
Suche nach Schuldigen
Längst haben sich die Verantwortlichen der betroffenen Kommunen zusammengesetzt. Gemeinsam blicken sie auf den Frankenkurs, wollen aber die drohenden Verluste nicht einfach so hinnehmen. In den Kommunalparlamenten hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. Einzelne Bürgermeister weisen darauf hin, dass ausgerechnet die landeseigene Gemeindeprüfungsanstalt, die die städtischen Haushalte kontrolliert, den Städten zu den umstrittenen Derivatgeschäften geraten habe. Die Klage richtet sich aber gegen die WestLB, die nach Meinung der Kläger nicht über die enormen Risiken aufgeklärt haben soll.
BGH-Urteil als Vorbild?
Bundesweit haben sich mehr als 30 Kommunen zur Klage gegen die WestLB entschlossen, unter ihnen die Städte Freudenberg, Hattingen, Kamp-Lintfort, Kreuztal, Lippstadt, Lünen, Soest, Steinfurt und Übach-Palenberg. Sie möchten die riskanten Verträge nachträglich für nichtig erklären lassen. Begründung: Sie verstießen gegen das sogenannte "kommunale Spekulationsverbot". Mut macht den Städten ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem vergangenen Jahr. Damals klagte ein mittelständischer Unternehmer, der sich mit der Deutschen Bank auf Swap-Geschäfte eingelassen und große Verluste erlitten hatte. Die Karlsruher Richter verurteilten daraufhin die Deutsche Bank zu 540.000 Euro Schadenersatz. Die WestLB-Nachfolgerin Portigon stellte sich umgehend auf eine Serie von gerichtlichen Niederlagen ein und legte für die Risiken aus den Zinswett-Prozessen einen dreistelligen Millionen-Betrag zurück.
"Höhere Finanzmathematik"
Der daraufhin zunächst ausbrechende Optimismus vieler Stadtväter, doch noch ohne Schaden aus der ganzen Affäre herauszukommen, hat sich inzwischen allerdings wieder eingetrübt. Denn noch ist nicht klar, ob die Justiz den Banken gegenüber Städten ähnlich umfangreiche Beratungspflichten aufbürdet wie gegenüber Privatleuten. Doch genau dort legen die Städte jetzt vor Gericht nach: Das Risiko der Währungswetten sei Finanzmathematik, die einen Kämmerer mit einem "normalen" BWL-Abschluss oft überfordere.
Eine Entscheidung über die in Düsseldorf verhandelten Klagen wird voraussichtlich erst in einigen Wochen erwartet.