Städte erlitten durch Swap-Geschäfte Millionen-Verluste

Urteil zu Zinswetten - Kämmerer hoffen

Stand: 22.03.2011, 11:30 Uhr

Viele Kommunen in NRW haben sich auf hochspekulative Zinsgeschäfte eingelassen - und verloren. Ein Urteil des Bundesgerichthofs (BGH) vom Dienstag (22.03.11) gibt einigen Städten Hoffnung, dass die Banken wenigstens einen Teil des Verlusts übernehmen.

Vor dem BGH verloren hat die Deutsche Bank. Die Karlsruher Richter verurteilten Deutschlands größtes Kreditinstitut zur Zahlung von 540.000 Euro Schadenersatz an ein mittelständisches Unternehmen. Es hatte bei einem sogenannten Swap-Geschäft - einer Wette auf die Zinsentwicklung - einen großen Verlust erlitten. Das Institut hatte nach Ansicht der Richter seine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kunden verletzt. Insbesondere hätte die Bank darüber aufklären müssen, dass bei solchen Finanzprodukten ein "schwerwiegender Interessenkonflikt" bestehe, weil der Gewinn der Bank gleichbedeutend mit einem Verlust des Kunden sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Erfolg des Klägers könnte auch für Bürger in NRW weitreichende Folgen haben. Denn über 100 Städte und Gemeinden in NRW haben sich auf so genannte Zinswetten mit der Deutschen Bank und der WestLB eingelassen. Bei einigen Städten führten diese Geschäfte nicht zum gewünschten Erfolg. Die Kämmerer in Hagen, Remscheid, Neuss, Ennepetal und Hückeswagen und andere haben Verluste eingefahren - manche "nur" sechsstellige Summen, Spitzenreiter Hagen nach einem Vergleich immer noch rund 40 Millionen Euro. Es ging um so genannte Spread Ladder Swaps.

Remscheid klagt auf Schadenersatz

In Remscheid hofft man nun, dass das BGH-Urteil Signalwirkung haben wird. Die Stadt hat bei Swap-Geschäften rund 19 Millionen Euro verloren. Da sie sich von der WestLB schlecht beraten fühlt, klagt sie nun auf Schadenersatz. "Die Karlsruher Richter haben ein für uns sehr interessantes Urteil gesprochen", sagte Stadtdirektor Burkhard Mast-Weisz WDR.de. Auch Remscheid sei beim Vertragsabschluss nicht ausreichend auf die Risiken des Geschäfts hingewiesen worden. Das Verfahren ist für Ende April angesetzt. Auch Ennepetal im südlichen Ruhrgebiet hat kürzlich eine Schadenersatzklage gegen die WestLB eingereicht. Es geht dabei um eine Verlust von rund 450.000 Euro - für die kleine Stadt ein schmerzlicher Einschnitt.

Anwalt Weck: "Das war eindeutig rechtswidrig"

"Die Rechtslage hat sich zugunsten der Kommunen gedreht", sagt Rechtsanwalt Jochen Weck, der vor dem BGH die Interessen des mittelständischen Unternehmens erfolgreich vertreten hat. Zwar habe in dem Karlsruher Verfahren keine Kommune, sondern ein Unternehmen geklagt. In der Sache selbst gebe es aber keinen Unterschied: "Wie die Banken mit ihren Kunden umgegangen sind, das war eindeutig rechtswidrig." Das habe die Urteilsbegründung deutlich gezeigt. Er könne allen betroffenen Kommunen nur dringend raten, die Sache vor Gericht zu bringen. In den vergangenen Jahren war die Rechtssprechung zu Zinswetten nicht einheitlich ausgefallen. Auch im aktuellen BGH-Fall hatten beide Vorinstanzen zugunsten der Deutschen Bank entschieden.

Keine Chance für Hagen und Dortmund?

Ausgerechnet bei der Stadt Hagen, die den größten Verlust mit solchen Geschäften eingefahren hat, sorgt das aktuelle Urteil nicht für neue Hoffnung. Denn Hagen hat 2009 mit der Deutschen Bank einen Vergleich abgeschlossen und dafür auf weitere Schadenersatzklagen verzichtet. Unterm Strich hat Hagen trotzdem noch rund 40 Millionen Euro Verlust erlitten. "Das Urteil ist für uns wohl nicht mehr relevant", sagt Stadtsprecher Thomas Bleicher. Die Stadt Dortmund ist in einer ähnlichen Situation: 6,8 Millionen Euro hat die Stadt mit Swap-Geschäften verloren, inzwischen aber einem Vergleich zugestimmt. Die genauen Bedingungen des Vergleichs dürfe die Stadt nicht bekanntgeben, selbst der Name des Vertragspartners sei geheim, sagt Stadtsprecher Michael Meinders.

Verträge insgesamt nichtig?

Rechtsanwalt Weck sieht selbst nach einem Vergleich noch Chancen für Hagen und Dortmund. Es sei gut möglich, dass die Verträge insgesamt rechtswidrig und deshalb nichtig waren. "Kommunen dürfen nicht mit Steuergeldern spekulieren. Deshalb hätten die Banken den Kämmerern gar nicht solche Produkte anbieten dürfen", sagt Weck. Deshalb könnten unter Umständen auch die anschließenden Vergleiche für nichtig erklärt werden. "Auf jeden Fall sollten die Städte das umgehend mit ihren Anwälten prüfen."