Franz-Josef Rüller wusste, dass die Emscher kein idyllischer Fluss ist. Doch als der Ingenieur den ersten Besichtigungstermin hatte, dachte er: "Gut, dass wir das jetzt anpacken". Der 52-Jährige ist für 8,5 Kilometer Emscher-Renaturierung verantwortlich - ein Projekt, vergleichbar mit dem Bau einer kleinen Autobahnstrecke. Jetzt sind einige Abschnitte in Dortmund fertig geworden - Fische gibt es noch nicht in diesem Teil der neuen Emscher, aber immerhin sieht der Fluss wieder aus wie ein Fluss.
Die "Kloake" des Ruhrgebiets
Das war nicht immer so. "Wir haben recherchiert, dass die Emscher in den letzten 100 Jahren vier Bachbetten hatte", berichtet Rüller. Das war eine Veränderung von einem Fluss, der zwischen Holzwickede im östlichen und Dinslaken im westlichen Ruhrgebiet in großen Schleifen mäanderte, hin zu einem teilweisel oberirdischen Abwasserkanal, der in einer festen Betonschale möglichst schnell abfließen sollte. Anders als etwa in Münster - der Heimat von Franz-Josef Rüller - konnten im Ruhrgebiet lange Zeit keine unterirdischen Abwasserkanäle gebaut werden. Der Grund: der Bergbau. Zu groß war die Sorge, dass der Untergrund nicht stabil genug ist. Stattdessen wurde das dreckige Wasser aus Haushalten und Industrie direkt in die Emscher geleitet. Erst mit dem Aus der Steinkohleförderung konnten realistische Planungen zur Emscher-Umgestaltung beginnen. 1991 gab es dann den offiziellen Beschluss zur Renaturierung.
Bis 2020 soll alles fertig sein
Und das ist ein Mammutprojekt: Die Emscher hat eine Gesamtlänge von 83 Kilometern. Alle Flussläufe inklusive Nebenarme der Emscher ergeben eine Länge von 350 Kilometern. Auf 400 Kilometern müssen neue Abwasserkanäle verlegt werden, davon ist etwa die Hälfte fertig gebaut. Alleine bei der Emschergenossenschaft arbeiten 160 Mitarbeiter an dem Umbau - bis 2020 soll er abgeschlossen sein. Das Ganze kostet 4,5 Milliarden Euro. Und wer bezahlt das? "Wir alle", sagt Illias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. Der Löwenanteil wird über die Abwassergebühren der beteiligten Gemeinden finanziert. 20 Prozent kommen vom Land und der EU.
Sauberes Wasser für die neue Emscher
Der Umbau sieht dann meist so aus: Das Betonkorsett der jetzigen Emscher wird entfernt. Dann wird ein Abwasserkanal gebaut. In diesen Abwasserkanal fließt das Schmutzwasser. Oberirdisch verläuft die neue Emscher - die wird aus natürlichen und sauberen Zuflüssen und Regenwasser gespeist. Somit wird die Wasserqualität deutlich verbessert. Die Umgebung der renaturierten Emscher bekommt auch eine kleine Starthilfe - teilweise werden Bäume gepflanzt. "Die Böschungen sollen sich selbst entwickeln", erklärt Franz-Josef Rüller. Seiner Erfahrung nach geht es sehr schnell, bis das erste Grün wächst. Die Tiere kommen dann von alleine.
"Der historische Zustand ist grottenschlecht"
Es überrascht nicht, dass auch Umweltschützer das Projekt begrüßen. "Wir sehen das generell ausgesprochen positiv", sagt Paul Kröfges, Vorsitzender des BUND-Landesverbandes. "Das Schwierige ist, die Wasserqualität zu verbessern", denn der Fluss leide auch unter den vielen Altlasten der Industrie. Auch nach dem Abschluss der Renaturierung werde die Emscher für Umweltschützer vorerst ein Sorgenkind bleiben. "Der historische Zustand des Flusses ist so grottenschlecht, dass es ein bis zwei Generationen dauern wird, bevor sich die Emscher erholt hat."
Deiche zum Hochwasserschutz
Oft wird Franz-Josef Rüller gefragt, ob die Emscher denn jetzt wieder genau da lang fließt, wo sie vor der Industrialisierung entlangführte. "Die jetzige Trasse hat zum Teil Abweichungen von 30 bis 40 Metern nach links oder rechts", erklärt er. Es war unmöglich, den ursprünglichen Verlauf wieder herzustellen - zu viel wurde im letzten Jahrhundert dazu gebaut. An den Stellen, wo es möglich war, haben die Ingenieure die Deiche abgerissen, sodass der Fluss wieder an einer Auenlandschaft liegt. Das ist für Tiere und Pflanzen besonders ideal. Aber an vielen Stellen ist die Hochwassergefahr dafür zu groß. Im Dortmunder Stadtteil Hörde dient beispielsweise der Phoenixsee als Auffangbecken bei Hochwasser. "Wir arbeiten mit einer Firma zusammen, die auch Autobahnen baut", berichtet Rüller. Die Mitarbeiter seien es gewohnt, auf den Zentimeter genau zu arbeiten. "Aber hier muss und soll es nicht komplett geradeaus gehen. 2012 bekommt der Emscher-Teil von Franz-Josef Rüller neue Bewohner: Die sogenannten Emscher-Groppe, eine Fischart, die in einem Nebenlauf der Emscher hundert Jahre überlebt hat, sollen auch in Dortmund wieder angesiedelt werden.