Schwere Fehler bei der Planung und Durchführung der Loveparade im Juli 2010 wirft die Duisburger Staatsanwaltschaft den zehn Beschuldigten vor. Das sagte Anklagechef Horst Bien am Mittwoch (12.02.2014) bei einer Pressekonferenz in der Rheinhausener Stadthalle. Sechs Mitarbeiter der Stadt und vier des Veranstalters Lopavent sollen sich deshalb vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft will sie wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung anklagen. Für die Anklagebehörde war die Katastrophe vermeidbar.
Beschuldigte bestreiten Vorwürfe
Beschuldigt werden drei leitende Angestellte der Stadt Duisburg und drei Mitarbeiter, die unmittelbar mit dem Genehmigungsverfahren befasst waren. Vom Veranstalter sollen der Gesamtleiter, der Produktionsleiter, der Verantwortliche für Sicherheit und der technische Leiter zur Rechenschaft gezogen werden. Alle haben die Anschuldigungen bestritten.
Erkennbare Undurchführbarkeit des Konzepts
Laut Anklagebehörde hätten die vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent erkennen müssen, dass das Sicherheitssystem versagen und lebensgefährliche Situationen entstehen würden. Den sechs Beschuldigten aus der Stadtverwaltung wird vorgeworfen, die Genehmigung trotz erkennbarer Undurchführbarkeit des Konzepts erteilt und das Genehmigungsverfahren nicht ausreichend beaufsichtigt zu haben. Den Ermittlungen zufolge entstand damals das größte und tödliche Gedränge in einem viel zu schmalen Zugang zum Loveparade-Gelände aus Richtung des Duisburger Hauptbahnhofs. Dort hätten nicht genehmigte Einbauten gestanden.
Über 3.500 Zeugen vernommen
"Es waren Ermittlungen in einem nahezu beispiellosem Umfang. Es wäre uns lieber gewesen, schneller voranzukommen. Die Belastung der Opfer war uns immer bewusst", sagte Oberstaatsanwalt Bien. Mehr als 3.500 Zeugen wurden vernommen. Die Anklageschrift ist 556 Seiten dick. Die Akten umfassen 76 Bände mit mehr als 37.000 Seiten. Hinzu kommen 623 Sonderbände und Beweismittelordner. Darüber hinaus sind dem Landgericht 19 Kartons mit Gegenständen übergeben worden. Hinzu kommen Datenträger mit einem Volumen von rund 804 Terabyte sowie 963 Stunden Videomaterial.
Mindestens 652 Verletzte
In dem Gedränge auf dem Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs wurden am 24. Juli 2010 21 Menschen totgetrampelt oder sie erstickten. Mindestens 652 wurden der Staatsanwaltschaft zufolge verletzt. Bien versicherte Opfern und Angehörigen die Anteilnahme seiner Behörde. Schmerz und Trauer könnten durch die jetzt vorliegende Anklage nicht gelindert werden, räumte er ein. Bislang lassen sich 135 Opfer von 61 Anwälten vertreten. Den zehn Beschuldigten stehen zwölf Juristen zur Seite.
Keine Anklage gegen Ex-OB Sauerland
Die Staatsanwaltschaft erläuterte auch, warum sie nicht gegen den damaligen Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und den Geschäftsführer der Veranstalterfirma Lopavent, Rainer Schaller, ermittelt hat. "Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie selbst Einfluss auf die fehlerhafte Planung oder die Erteilung der rechtswidrigen Genehmigung genommen haben. Sie durften auch darauf vertrauen, dass die für die Planung und Genehmigung Verantwortlichen das Vorhaben aufgrund ihrer Fachkenntnisse ordnungsgemäß prüfen würden, sagte Behördenleiter Bien. Er ergänzte aber auch: "Wir haben nicht nach politischer oder moralischer Verantwortlichkeit gesucht." Sauerland wie auch Schaller hat die Anklagebehörde aber als Zeugen benannt.
Prüfung kann Monate dauern
Das Landgericht Duisburg rechnet nach dem Eingang der Anklageschrift nicht mit einer schnellen Entscheidung darüber, ob die Anklage zugelassen wird. Zunächst beginne ein Zwischenverfahren, in dem die Anklageschrift den Beschuldigten zugestellt werde. Dann erhielten die Beschuldigten Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die zuständige 5. Große Strafkammer prüfe dann, ob die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet werde. "Diese Prüfung wird angesichts des Umfangs der Akten vermutlich nicht in wenigen Monaten abzuschließen sein", sagte ein Sprecher.
Das Landgericht Duisburg liefert auf einer eigens eingerichteten Internetseite aktuelle Informationen und Hintergründe zum Verfahren.