Stadtdirektor Peter Greulich, der das vorläufige amtliche Endergebnis am Sonntagabend (12.02.2012) um 19.36 Uhr im Rathaus verkündet, kommt mit seiner Bekanntgabe nicht weit. Als er die Zahl der gültigen Ja-Stimmen vorliest, geht der Rest seiner Rede im Jubel unter. Über 129.800 Wähler haben bei dem Bürgerentscheid gegen Adolf Sauerland gestimmt. Das waren deutlich mehr als die erforderlichen gut 91.000. Für einen Verbleib Sauerlands im Amt sprachen sich rund 21.500 Wähler aus. Die Wahlbeteiligung lag bei 41,6 Prozent.
Die Mitglieder von "Neuanfang für Duisburg" liegen sich lachend und weinend vor Glück in den Armen. Der Sprecher der Abwahlinitiative, Theo Steegmann, spricht von einem eindeutigen Ergebnis der Abstimmung. "Damit kommt der politische Frieden in die Stadt zurück", sagt er im WDR Fernsehen. Sein Mitstreiter Helmut Herbst hofft, dass sich die Parteien bei der Neuwahl auf einen überparteilichen Bürgermeisterkandidaten einigen können.
Reaktionen aus der Politik
Innenminister Ralf Jäger (SPD) kann ein zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken. Nun kann die Kandidatensuche für Neuwahlen beginnen. Man werde dabei auch die Bürgerinitiative, die die Abwahl erst möglich gemacht hat, in die kommenden Gespräche mit einbeziehen, teilt er mit. "Das ist ein guter Tag für die Demokratie", so Jäger. Es sei ein wichtiges Recht der Bürger, in Ausnahmefällen über ein vorzeitiges Ende der Amtszeit eines Stadtoberhauptes zu entscheiden. Sein Parteikollege und NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek sagt: "Diese eindeutige Entscheidung bringt nun die Chance auf einen echten Neuanfang für Duisburg und die Menschen in dieser Stadt."
"Das Ergebnis ist die Quittung für Sauerlands fehlende Bereitschaft, politische und moralische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe zu übernehmen", sagen die Landesvorsitzenden der Grünen, Monika Düker und Sven Lehmann. NRW-CDU-Generalsekretär Oliver Wittke würdigte die "großen Verdienste" Sauerlands für die Stadt Duisburg. Die Hintergründe des Loveparade-Unglücks müssten nun juristisch aufgeklärt werden.
Loveparade-Besucherin im Rathaus
Unter den Feiernden im Rathaus ist auch Annika (18) aus Bremen. Sie hat bei der Loveparade-Katastrophe Verletzungen erlitten, von denen sie bis heute noch nicht völlig genesen ist. Den Tag hat sie mit Freunden und Bekannten aus einer Selbsthilfegruppe verbracht und hat auch die Rampe besucht, die vor eineinhalb Jahren für 21 Menschen zur Todesfalle wurde. "Mir würde es nicht schlechter gehen, wenn Sauerland nicht abgewählt wird", hatte sie noch kurz vor der Bekanntgabe gesagt. "Ich kann heute also eigentlich nur gewinnen."
Sauerland ist überrascht
Eine halbe Stunde nach der Bekanntgabe der Ergebnisse tritt auch der 56 Jahre alte Adolf Sauerland selbst auf die Bühne. Er äußert sich überrascht über das für ihn so eindeutige Ergebnis. "Ich war mir sicher, dass angesichts der vielen Erfolge meiner Amtszeit das Ergebnis ein anderes sein würde." Er sei gerne Oberbürgermeister gewesen, "mit Herzblut und Leidenschaft". Seine Rede, die er als seine "letzte Pressekonferenz" bezeichnete, beendete er mit den Worten "Gott schütze die Stadt Duisburg". Vor dem Rathaus ist währenddessen das Hupen eines Freudenkorsos zu hören - auch Feuerwerkskörper werden abgebrannt.
Verein "Mehr Demokratie" ist zufrieden
Das Abwahlverfahren war von einem Bündnis aus Duisburger Bürgern, Parteien und Gewerkschaften initiiert worden. Die Sauerland-Gegner hatten dafür fast 80.000 Unterschriften gesammelt, von denen allerdings nur 68.000 als gültig anerkannt worden waren. Der Verein "Mehr Demokratie", der sich bundesweit für mehr Bürgerbeteiligung in der Politik einsetzt, sieht die Abwahl als Erfolg. "Wir sind erleichtert, dass das Abwahlbegehren nicht durch das hohe Zustimmungsquorum zu Fall gebracht wurde", sagt der Landesgeschäftsführer der Organisation, Alexander Slonka. Damit sei "das erste Abwahlbegehren in der Geschichte des Landes" Nordrhein-Westfalen erfolgreich gewesen.
Reportage vom Wahltag
Rücktritt stets abgelehnt
Die Gegner von Adolf Sauerland machen ihn für die Genehmigung der Loveparade im Juli 2010 verantwortlich, bei der 21 Menschen starben und weit über 500 verletzt wurden. Einen Rücktritt hat Sauerland stets abgelehnt, es sei denn, ihm oder seiner Verwaltung würden individuelle Fehler bei der Genehmigung der Loveparade nachgewiesen.
Das amtliche Endergebnis soll am Mittwoch bekanntgegeben werden. Bis dahin will Sauerland seinen Schreibtisch geräumt haben. Seine reguläre Amtszeit hätte bis zum Spätsommer 2015 gereicht. Jetzt muss innerhalb von sechs Monaten ein Nachfolger gewählt werden. Der Wahlsieger wird für eine komplette Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Bis dahin bekommt die Stadt vorübergehend eine Doppelspitze. Die repräsentativen Aufgaben des Oberbürgermeisters übernimmt der 1. Bürgermeister Benno Lensdorf (CDU), Verwaltungschef wird Stadtdirektor Peter Greulich (Grüne).