Das Zinsgeschäft tätigte der frühere Kämmerer von Lübbecke in seiner Nebenfunktion als Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsbetriebe Lübbecke (WBL). Das so genannte "Swap-Geschäft" hatte zu einem Verlust von 1,65 Millionen Euro geführt. Die Hälfte davon übernahm nach langen Verhandlungen die Bank, mit der das Geschäft abgeschlossen wurde.
Den übrigen Betrag, der sich zusammen mit Folgekosten auf rund eine Millionen Euro summiert, verlangen die WBL von ihrem ehemaligen Geschäftsführer zurück - weil er die Geschäfte abgeschlossen habe, ohne sie sich vorher von den Gesellschaftern der WBL genehmigen zu lassen. Nachdem eine außergerichtliche Einigung scheiterte, legten die Richter den beteiligten Parteien am Dienstag einen Vergleich nahe. 300.000 Euro soll der ehemalige Kämmerer danach zahlen. Bis Anfang November haben beide Seiten nun Zeit, über den Vorschlag zu beraten.
Zinsgeschäfte in jeder zweiten Kommune in NRW
Geschäfte mit Zinsen sind in Nordrhein-Westfalen weit verbreitet. Im Oktober 2008 hatte der Bund der Steuerzahler (BdSt) die 396 Kommunen im Land gefragt, ob sie Zins-Swaps abgeschlossen haben. Die Antwort: Gut die Hälfte (201 Kommunen) gab an, keine derartigen Geschäfte getätigt zu haben. 191 Kommunen haben dagegen Zinsgeschäfte gemacht - drei Viertel erzielten nach eigenen Angaben damit sogar Gewinne oder sparten zumindest Zinsen.
Lediglich acht Städte und Gemeinden sprachen von Verlusten, die teilweise im Millionenbereich oder sogar im zweistelligen Millionenbereich lagen. Hinzu kommen laut Steuerzahlerbund mehrere weitere Städte, in denen nach Presseberichten Verluste durch die Zinsgeschäfte angefallen waren - obwohl sie das offiziell bestreiten.
Versicherung gegen steigende Zinsen
Bei den Swap-Geschäften ("Swap": englisch für "Tausch") handelt es sich im Prinzip um eine Versicherung gegen steigende Zinsen. Wenn eine Stadt etwa einen Kredit zu einem variablen Zinssatz aufnimmt, kann sie den mit einem Swap gegen einen festen Zinssatz "tauschen". Ihr Geschäftspartner, normalerweise eine Bank, trägt also das Risiko, dass der Zinssatz steigt; die Stadt zahlt nur den vereinbarten festen Zinssatz.
Wenn die Zinsen dann steigen, zahlt die Bank drauf - die Stadt hat also Zinsen gespart. Fallen die Zinsen, macht die Bank Gewinn, weil sie weniger für die variablen Zinsen zahlen muss, als sie von der Stadt bekommt. Die Stadt "verliert" in diesem Fall zwar Geld, hat dafür aber das Risiko ausgeschlossen, bei steigenden Zinsen mehr zahlen zu müssen. Im Prinzip ein ähnliches Geschäft wie bei einem privaten Immobilienkäufer, der sich mit einer langen Zinsbindung gegen steigende Kosten für seinen Kredit absichert. Viele Experten halten diese einfachen Swap-Geschäfte daher auch für durchaus sinnvoll.
Wette statt Versicherung
Anders sieht es bei einer Variante dieser Zinsgeschäfte aus - den "Spread Ladder Swaps", um die es auch im Fall der Wirtschaftsbetriebe Lübbecke ging. Diese Geschäfte dienen nicht mehr dazu, einen Kreditnehmer vor dem Risiko steigender Zinsen zu schützen. Tatsächlich handelt es sich praktisch um eine Wette darauf, wie sich die kurz- und langfristigen Zinssätze entwickeln. Aus dem Unterschied der verschiedenen Sätze lässt sich dann über eine komplizierte Formel der Zinssatz berechnen, den der Geschäftspartner (also die Kommune) an die Bank zahlen muss.
Wenn es gut läuft, macht die Kommune mit dieser Konstruktion Gewinn. Die Berechnungsmethode kann allerdings auch dazu führen, dass der Zinssatz bei einer unerwarteten Entwicklung extrem hoch wird, die Kommune also enorme Beträge an die Bank abführen muss. Durch derartige Konstruktionen sind in einigen Städten teils zweistellige Millionenverluste entstanden.
Kritik an hochspekulativen Geschäften
Beim nordrhein-westfälischen Steuerzahlerbund stoßen derartige Konstruktionen auf großes Unverständnis. "Der Bund der Steuerzahler lehnt hochspekulative Zinswetten grundsätzlich ab", sagte Eberhard Kanski, BdSt-Haushaltsexperte dem WDR. Eine Entscheidung des Bielefelder Gerichts war dort mit Spannung erwartet worden, zumal auch andere Kommunen in Nordrhein-Westfalen Millionen an Steuergeldern mit ähnlichen Geschäften verloren hatten. Unter Juristen ist zudem umstritten, ob die Städte wegen des für sie geltenden Spekulationsverbots überhaupt derartige Konstrukte eingehen durften.