Die Kommunalfinanzen sind in den vergangenen Jahren aus dem Gleichgewicht geraten. Nach Berechnungen des Städte- und Gemeindebundes NRW mussten die Kommunen in NRW zwischen 1985 und 2007 rund 20 Milliarden Euro mehr ausgeben, als sie eingenommen haben. Diese Differenz sei zum großen Teil über kurzfristige Kassenkredite gedeckt worden, sagt Bernd Jürgen Schneider, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW. Der Umfang dieser Kredite, die wie ein Dispo für Städte funktionieren, sei binnen zehn Jahren von zwei auf 17 Milliarden Euro gestiegen. "Hier tickt eine Zeitbombe, sollten die Zinsen wieder einmal auf mittleres Niveau steigen."
Um diesem Problem entgegenzuwirken, plant Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Reform der Kommunalfinanzen. Er will den Gemeinden erlauben, einen Teil der Einkommensteuer von Stadt zu Stadt unterschiedlich festzusetzen. Allerdings stieß sein Vorschlag auf Kritik. Dadurch könnte sich die Schere zwischen armen Städten, die höhere Steuern brauchen, und reichen Städten, die sie senken könnten, weiter vergrößern, bemängelte Christian Ude, Vizepräsident des Deutschen Städtetags.
Lebenswerte Kommunen
Der Grund für die Unterfinanzierung der Kommunen liegt laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung auch in den zunehmenden Kosten, die vor allem im Sozialbereich durch Bundesgesetze auf die Kommunen verlagert werden. Die Eingliederungshilfe für Behinderte, die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, die Grundsicherung im Alter sowie die Pflegehilfe seien für die Mehrausgaben verantwortlich. "Dies sind aber keine kommunalen, sondern gesamtgesellschaftliche Aufgaben", sagt Schneider. Nach Ansicht der Bertelsmann-Stiftung erbringen Kommunen Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben für ihre Bürger. Dabei seien gerade freiwillige Aufgaben wie Kultur, Bildung, die Förderung von Bürgerengagement und Umweltschutz entscheidend und machten den Kern einer lebenswerten Kommune aus. Um dies leisten zu können, dürften die kommunalen Einnahmen nicht schon durch die Erfüllung der Pflichtaufgaben aufgezehrt werden. Gestaltungsspielräume müssten geschaffen werden, indem den Kommunen nicht nur Aufgaben, sondern auch die zu ihrer Erfüllung erforderlichen Mittel übertragen werden.
Schwierige Finanzierung
Die Gemeinden finanzieren ihre Haushalte hauptsächlich durch ihre eigenen Steuereinnahmen. Dazu gehören die Grundsteuer A (Agrar für landwirtschaftliche Flächen) und die Grundsteuer B (Bau für bebaute Flächen) sowie die Gewerbesteuer. Bei diesen Steuern verfügen die Gemeinden über ein eigenes Hebesatzrecht, können also in einem Rahmen die Höhe der Steuern selbst festlegen. Darüber hinaus erhalten die Gemeinden einen Anteil von 15 Prozent an der Einkommensteuer sowie 2,2 Prozent am gesamten deutschen Umsatzsteueraufkommen. Einnahmen erzielen die Kommunen auch aus kleineren Steuern wie der Zweitwohnungsteuer, der Hundesteuer oder der Vergnügungssteuer - oder, wie in Köln, der Bettensteuer.
Dazu kommen die Gebühren, die die Städte etwa für die Abwasserentsorgung oder bestimmte Verwaltungsleistungen erheben. Auch steuern Stadtwerke oder andere ausgelagerte Betriebe oft noch etwas zum Kommunalhaushalt bei. Zusätzlich überweist das Land NRW den Kämmerern noch einen Betrag, der jedes Jahr neu festgelegt und zwischen den Gemeinden aufgeteilt wird. 2006 hatten die Gemeinden etwa nach den jüngsten verfügbaren Daten im Schnitt 3.489 Euro je Einwohner zur Verfügung. Davon stammten 446 Euro aus der Gewerbesteuer, 288 aus dem Einkommensteueranteil, 1.715 Euro erwirtschafteten ausgelagerte Stellen wie etwa Stadtwerke.
Schwankende Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer schwankt allerdings stark. Wegen der Krise sei sie etwa 2009 um durchschnittlich 20 Prozent zurückgegangen, in manchen Kommunen sogar um bis zu 60 Prozent. Zeitverzögert würden deshalb auch die Landeszuweisungen sinken, rechnen der Gemeindebund vor, denn auch das Land NRW habe Einnahmeausfälle von 3,7 Milliarden Euro zu verkraften.
Reformvorschläge
Wegen dieser starken Schwankungen je nach Wirtschaftslage haben die Kommunen bereits seit Langem eine Reform der Gemeindefinanzen gefordert. Danach sollen bei der Gewerbesteuer auch Freiberufler und Selbstständige erfasst werden. "Dadurch ließe sich die Bemessungsgrundlage verbreitern, die bereits Gewerbesteuer zahlenden Betriebe könnten entlastet werden", sagt Wirtschafts-Professor Martin Junkernheinrich, Experte für Kommunalfinanzen in NRW.
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