Interview zur kommunalen Einkommenssteuer

Flexible Steuer für Städte

Stand: 05.11.2010, 14:24 Uhr

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Städten und Gemeinden erlauben, ihren Teil der Einkommenssteuer eigenständig festzusetzen. Eigentlich eine sinnvolle Idee, sagt Wirtschafts-Professor Martin Junkernheinrich. Falsch angepackt könne die Finanzkrise der Kommunen dadurch aber verstärkt werden.

Von Bodo Scheffels

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Den Plänen zufolge sollen die Kommunen die Möglichkeit erhalten, ihren Anteil an der Einkommenssteuer von derzeit 15 Prozent selbst festzusetzen. Der Bund gäbe eine Spanne vor, innerhalb derer die Städte dann selbst entscheiden könnten. Stünden also in Gemeinden größere Vorhaben an, könnten die Bürger durch Wahl entscheiden, ob sie dafür einen höheren Steuersatz zahlen wollen oder auf das Projekt verzichten. So werde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und zudem erhielten die Kommunen verlässliche und planbare Einnahmen.

Martin Junkernheinrich, Experte für Kommunalfinanzen und Professor an der Technischen Hochschule Kaiserslautern, sieht darin einen guten Ansatz. Allerdings müsse bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass nicht ausgerechnet die schwächsten Städte die höchsten Steuern nehmen müssten - und dann zu ewigen Verlierern im Wettbewerb würden.

WDR.de: Halten Sie eine kommunale Einkommenssteuer für sinnvoll?

Martin Junkernheinrich: Ja, das ist ein guter und bereits lange diskutierter Gedanke. Allerdings ist es nicht sinnvoll, nur ein Hebesatzrecht der Gemeinden bei der Einkommenssteuer einzuführen und sonst nichts zu tun. Damit könnte die Krise der Gemeindefinanzen sogar verstärkt werden.

WDR.de: Warum?

Junkernheinrich: Weil es zu Verteilungsungerechtigkeiten kommt. Die starken Städte könnten versucht sein, durch Steuersenkungen noch attraktiver zu werden. Und ausgerechnet die schwächeren Städte müssten die Steuern hoch halten, um überhaupt ihre Ausgaben bestreiten zu können. Dazu kommt, dass die Einkommenssteuer an den Wohnorten der Menschen abgeführt wird und auch den Wohnorten zufließt. Das heißt, wer in Oberhausen arbeitet, aber in einer Gemeinde im Umland lebt, zahlt nur an seine Gemeinde, Oberhausen hat nichts davon. Vor allem die strukturschwachen Städte würden so nicht entlastet.

WDR.de: Was schlagen Sie vor?

Junkernheinrich: Die kommunale Einkommenssteuer muss eingebettet sein in eine größere Reform. Zunächst muss die Gewerbesteuer für alle Betriebe verpflichtend sein, auch für Freiberufler und Selbstständige. Das verbreitert die Bemessungsgrundlage und sorgt für geringere Schwankungen. Derzeit zahlt ein Prozent der Unternehmen 70 Prozent der Gewerbesteuer. Brechen bei diesen Unternehmen Erträge ein, schwanken die Einnahmen der Kommunen enorm. Eine breitere Aufstellung bedeutet, dass die Sätze für die jetzt schon Gewerbesteuer zahlenden Unternehmen gesenkt werden können. Und auch die Grundsteuer müsste durch eine Aktualisierung der Bemessungsgrundlage reformiert werden, die kommunale Einkommenssteuer wäre dann sinnvollerweise der dritte Schritt.

WDR.de: Reicht das, um die Finanznot der Städte zu beseitigen?

Junkernheinrich: Nein, aber es wäre eine Basis für die Zukunft. Die Finanznot der Gemeinden kann nur dadurch beseitigt werden, dass der Bund einen höheren Anteil an den Sozialkosten übernimmt, wie es Minister Schäuble ja auch zugesagt hat. Vor allem die Kosten der Unterkunft sind hier ein wichtiges Thema. Denn gerade diese Kosten fallen vor allem bei Kommunen mit vielen Hartz IV-Empfängern an. Wer hier nicht entlastet, zementiert die Ungleichheit. Denn diese Kommunen werden ohne zusätzliches Geld vom Bund nicht in der Lage sein, konkurrenzfähige Einkommenssteuersätze anzubieten.

WDR.de: Wird durch die unterschiedlichen Steuersätze von Gemeinde zu Gemeinde nicht alles noch unübersichtlicher für die Bürger?

Junkernheinrich: Nein, da die Finanzämter wie bisher das zu versteuernde Einkommen ermitteln und dann nur unterschiedliche Steuersätze benutzen, wird es für den Bürger nicht komplizierter.

WDR.de: Ist denn eine schnelle Einigung zu erwarten?

Junkernheinrich: Die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen arbeitet unter hohem Druck, das beschleunigt die Dinge. Andererseits ist nicht zu erwarten, dass die Länder einfach und schnell "Ja" sagen. Ich denke, dass die konkrete Umsetzung noch eine ganze Weile dauern wird. Man strebt ein Ergebnis vor Weihnachten an. Das ist aber erst der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens

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