Als süße Prostituierte landet Julia Roberts 1990 mit der Komödie "Pretty Woman" den Kinohit des Jahres. Auch der Titelsong zu der romantischen Cinderella-Story verkauft sich millionenfach. Der Oldie stammt von einem Künstler, den die meisten jüngeren Kinogänger gar nicht mehr kennen. 1964 hatte Roy Orbison mit "Oh, Pretty Woman" den größten Erfolg seiner fast 30 Jahre dauernden Karriere.
Danach war es ruhig geworden um den US-Star mit der unverwechselbaren Drei-Oktaven-Stimme. Private Tragödien überschatteten sein Leben, und die beginnende Rock-Ära verdrängte seine melancholischen Lieder. Ende der 80 Jahre dann steht Roy Orbison kurz vor einem glanzvollen Comeback, doch den späten Triumph erlebt er nicht mehr. Mit nur 52 Jahren stirbt der Sänger an einem Herzinfarkt.
Balladen für die Pop-Geschichte
Roy Kelton Orbison kommt 1936 als Sohn eines Arbeiters in der texanischen Provinz zu Welt. Als er sechs ist, schenkt ihm sein Vater eine Gitarre. 1945 gewinnt er den Gesangswettbewerb eines lokalen Radiosenders und darf regelmäßig dort auftreten. Mit fünfzehn gründet der schmächtige, extrem weitsichtige Junge mit dem weichen Gesicht eine Band. Die spielt erst nur Country und hat 1956 mit dem selbst geschriebenen Rockabilly-Song "Ooby Dooby" ihren ersten kleinen Hit. Er öffnet Roy Orbison die Tür zum Sun Records Studio von Sam Phillips, wo auch Elvis Presleys Karriere startete.
Nach Anfängen als Studiogitarrist und Songschreiber für andere Interpreten komponiert der inzwischen verheiratete Roy Orbison ein Lied für seinen Freund Elvis, das dieser aber ablehnt. Der scheue Orbison vertraut endlich der eigenen Tenorstimme, spielt das Lied selbst ein – und verbucht 1960 mit "Only the Lonely" seinen ersten Nummer-1-Hit in den USA. Nun geht es Schlag auf Schlag: Mit sensiblen Balladen wie "Crying", "In Dreams", "It’s over" und schließlich "Oh Pretty Woman" schreibt und singt sich Roy Orbison in die Pop-Geschichte. Selbst King Elvis rühmt ihn als "the greatest singer in the world".
Schicksalsschläge auf dem Karrieregipfel
Dabei ist der stets bescheiden auftretende Star auf der Bühne alles andere als ein Abräumer. Fast unbeweglich steht er da, sanft und verletzlich, das bleiche Gesicht von einer dunklen Brille verdeckt, und zieht die Zuhörer allein mit seiner wunderbar magischen Stimme in den Bann. Dann, auf dem Gipfel des Ruhms, schlägt das Schicksal zu. 1966 stirbt Orbisons Frau Claudette bei einem Motorradunfall; kurz darauf kommen zwei seiner drei Söhne bei einem Hausbrand ums Leben. Orbison bewältigt den Schmerz auf Tourneen und veröffentlicht neue Songs. Doch die Zeit der großen Erfolge ist vorbei.
1969 heiratet Roy Orbison seine neue Liebe Barbara Wellhörner Jacobs, eine Studentin aus Bielefeld. Mit ihrer Hilfe übersteht der von Kindheit an herzkranke Sänger 1978 eine dreifache Bypassoperation. Seine Fans haben ihn mittlerweile fast vergessen, aber Kollegen wie Emmylou Harris, Bruce Springsteen oder George Harrison halten weiter zu ihm. 1987 wird Roy Orbison in die Hall of Fame des Rock and Roll aufgenommen und startet noch einmal durch. Den riesigen Erfolg mit der Allstar-Band Travelling Wilburys und seines letzten Megahits "You got it" kann er nicht mehr genießen. Kurz vor der Veröffentlichung des Albums stirbt Roy Orbison am 6. Dezember 1988 im Haus seiner Mutter in Tennessee.
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