Im 19. Jahrhundert sind die Vereinigten Staaten von Amerika ein geteiltes Land. Unüberwindlich erscheinen die Distanzen zwischen West und Ost, und nur langsam dringen die Informationen von einem Ende des Kontinents zum anderen.
Das schafft ohnehin nur die Post. Und der trauen die Bewohner nicht über den Weg. "So wenig Vertrauen haben wir in das gegenwärtige Postsystem, dass wir erheblichen Zweifel daran hegen, ob Sie diesen Brief oder irgendeine andere Nachricht von uns erhalten", klagen etwa die Mormonen aus Salt Lake City in einem Schreiben an ihren Kongressabgeordneten in Washington.
Waisen bevorzugt
Die USA brauchen ein schnelles und zuverlässiges Postsystem mit vertrauenswürdigen Boten – und die "Central Overland California and Pikes Peaks Express Company" will es schaffen. Ihre Grundidee ist, verwegene Männer per Pony-Express über 3.000 Kilometer durch die Great Plains, die Rocky Mountains und die Sierra Nevada zu schicken – vorbei an Indianern, Naturgewalten und anderen Gefahren. Bis zu zwölf Mal können die Reiter ihr Pferd an einer der 157 Relaisstationen wechseln, die alle 16 Kilometer eingerichtet sind. Zehn Tage braucht auf diese Art ein Brief durch die gesamte USA – und ist damit doppelt so schnell am Ziel wie mit der Postkutsche.
Per Anzeige sucht das Unternehmen "junge, dürre, drahtige Kerle, nicht über 18", die gute Reiter und "willens sind, täglich den Tod zu riskieren". Waisen werden bevorzugt: Man will Angestellte ohne Nachkommen, die ja im schlimmsten Fall Forderungen stellen könnten. Gegen den schlimmsten Fall haben die Reiter des Pony-Express neben Post, Wasser und etwas Kojotenfleisch ohnehin einen Revolver im Gepäck. Gelockt werden sie mit 25 bis 30 US-Dollar Wochenlohn – so viel verdient zu dieser Zeit ein ungelernter Arbeiter im ganzen Monat.
Buffalo Bill ritt mit
Am 14. April 1860 um 12.38 Uhr erreicht der erste Reiter von St. Joseph im Bundesstaat Missouri aus das kalifornische Sacramento. Wie seine Nachfolger hat er geschworen, auf seiner Reise nicht zu fluchen und keinen Alkohol zu trinken. Empfangen wird er von einer begeisterten Menge und Raketenböllern – und von einer Musikkapelle, die mit Händels "Tochter Zion, freue dich" aufspielt. “Nach und nach werden die Ketten der Dunkelheit zerschlagen”, schreibt eine Zeitung in San Francisco damals euphorisch."Und wir rücken immer näher heran an unsere Brüder auf der anderen Seite des Kontinents."
Unter dem gnadenlosen Motto "The mail must go through" avanciert der Pony-Express bald zu einem nationalen Mythos. Nicht selten werden seine Reiter zu bekannten Helden – allen voran Buffalo Bill, der vom Ruhm als 14-jähriger Postbote noch während seiner legendären Wildwest-Shows zehrt. Dabei dauert die Geschichte des Pony-Express gerade einmal ein Jahr und rund 40.000 übermittelte Briefe an: 1861 geht die erste transkontinentale Telegrafenleitung in Betrieb und macht die rasenden Reiter überflüssig.
Da ist die die "Central Overland California and Pikes Peaks Express Company" finanziell ohnehin schon am Ende: Die enormen Betriebskosten werden durch den Pony-Express zu keiner Zeit gedeckt.
Stand: 14.04.2015
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