Stichtag

27. März 1945 - Harry Rowohlt wird geboren

Wenn man seiner Geschichte glauben darf, dann kommt Harry Rowohlt am Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Luftschutzkeller in der Hamburger Hochallee zur Welt. Zehn Monate habe er wegen der ständigen Angriffe im Bauch der Mutter ausgeharrt, wird er später gern erzählen. "Immer, wenn ich Lust hatte, war wieder Fliegeralarm, und dann habe ich mir gedacht: Ich bin doch nicht doof."

Was Wahrheit und Dichtung ist, ist bei solchen biografischen Bemerkungen nicht immer klar auszumachen. Ein Markenzeichen Rowohlts ist es, Tatsachen mit Geschichten immer etwas auszuschmücken. Fest steht trotzdem: Schon vor der Geburt hatte der Autor, Kolumnist, Übersetzer und Hörbuchsprecher offenbar seinen eigenen Kopf.

Verdorben durch Suhrkamp

Geboren wird Rowohlt am 27. März 1945 als Harry Rupp in Hamburg. Seine Mutter ist die Schauspielerin Maria Pierenkämper, die noch mit dem Maler Max Rupp verheiratet ist. Sein Vater ist der Verleger Ernst Rowohlt, den Pierenkämper 1957 heiratet. Ursprünglich will auch Harry Rowohlt Verleger werden und soll den Rowohlt Verlag später einmal mit seinem Halbbruder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt übernehmen. "Aber ich hatte den großen Fehler begangen, vorher Lehrling bei Suhrkamp-Insel gewesen zu sein", wird er später behaupten. "Und dadurch war ich für den Rowohlt Verlag leider verdorben."

Als Ernst Rowohlt 1960 stirbt, erbt Rowohlt 49 Prozent des Verlags, den Ledig-Rowohlt weiterführt. 1982 verkauft er seinen Anteil an die Holtzbrinck-Gruppe. Da hat er bereits mit dem Bilderbuch "Die grüne Wolke" vom Vater der antiautoritären Erziehung, Alexander Sutherland Neill, als Übersetzer debütiert. Heute gehört Rowohlt zu den gefragtesten und bekanntesten Übersetzern Deutschlands. Sowohl die schwer übertragbaren Bücher von Flann O’Brien als auch Bestseller wie Frank McCourts Roman "Die Asche meiner Mutter" gehören zu seinem Repertoire, ebenso auch der von ihm geliebte Kinderbuchklassiker "Pu der Bär" von Alan Alexander Milne. Nach ihm benennt Rowohlt auch seine Kolumne "Pooh's Corner", die seit 1989 in lockerer Folge in der Wochenzeitung "Die Zeit" erscheint.

Die goldene Schallplatte

Ende der 80er Jahre beginnt Rowohlt in Aachen mit Lesungen eigener und fremder Bücher vor Publikum. Bis heute sind diese Auftritte, die oftmals sechs Stunden dauern und von Abschweifungen und Anekdoten Rowohlts gespickt sind, legendär. Anfangs sind die öffentlichen Lesungen Rowohlts von exzessivem Zigaretten- und Alkoholkonsum begleitet, weshalb Rowohlt seine öffentlichen Auftritte "Schausaufen mit Betonung" nennt. Heute steht bei der so genannten "Betonung ohne Schausaufen" meist ein Wasserglas auf dem Tisch. Gerne trägt Rowohlt dabei auch seine eigene Übersetzung von "Pu der Bär" vor, die er wie zahlreiche andere Bücher mit seiner markant-rauchigen Stimme auch als Hörbuch einspielt. 2000 bekommt er für 250.000 verkaufte Exemplare von "Pu" eine goldene Schallplatte.

Endgültig berühmt wird Rowohlt mit seiner 1995 übernommenen Rolle als Obdachloser Harry in der ARD-Kultserie "Lindenstraße". 2007 gibt er bekannt, an einer unheilbaren Nervenkrankheit namens Polyneuropathie zu leiden, wegen der er inzwischen nicht mehr richtig laufen kann. Heute lebt Rowohlt in Hamburg-Eppendorf.

Stand: 27.03.2015

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