Öl macht ihn unvorstellbar reich: John D. Rockefeller, aufgestiegen aus bescheidenen Verhältnissen, verfügt zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach heutigen Maßstäben über gut 190 Milliarden Dollar. Der derzeit reichste Mann der Welt, Microsoft-Gründer Bill Gates, besitzt wesentlich weniger: Sein Vermögen wird 2014 auf 76 Milliarden Dollar geschätzt. Wie Gates spendet auch Rockefeller hohe Summen für wohltätige Zwecke. Doch seine Geschäftspraktiken sind umstritten. Er gilt heute als Inbegriff des rücksichtslosen Kapitalisten.
John Davison Rockefeller wird am 8. Juli 1839 in Richford im US-Bundesstaat New York geboren. Er ist das zweite von sechs Kindern des Hausierers William Rockefeller und seiner Frau Eliza. Gut 100 Jahre zuvor war die Familie Rockefeller aus der Gegend bei Koblenz nach Amerika ausgewandert. Der Vater von John D., der Schlangenöl als Wundermedizin verkauft, ist wochenlang unterwegs und taucht schließlich gar nicht mehr auf. Die streng religiöse Mutter Eliza arbeitet hart, um die Kinder durchzubringen. Mit 16 Jahren muss John D. die Schule verlassen und für die Familie sorgen. Er stellt sich selbstbewusst bei Eisenbahngesellschaften, Banken und Großhändlern vor: "Ich verstehe etwas von Buchführung und ich möchte eine Stelle." Nach vielen Absagen stellt ihn ein Großhandelskontor als Buchhalter-Lehrling ein.
Glaube an eine Rolle in Gottes Plan
In der Freizeit engagiert sich Rockefeller in seiner Baptistengemeinde. Von weltlichen Vergnügen wie Tanz, Theater und Alkohol hält er nichts. Lieber folgt er John Wesleys puritanischem Gebot: Verdiene viel, spare viel und spende viel. Rockefeller hält alles minutiös in seinen Kassenbüchern fest. Sechs Prozent seines Wochenlohns spendet er; als er 20 Jahre alt ist, sind es schon mehr als zehn Prozent. Was er verdient, nennt er "Gottesgeld". Der geschäftliche Erfolg ist für ihn ein Zeichen, dass er zu denjenigen gehört, die Gott auserwählt hat: "Es scheint mir, als sei ich deshalb begünstigt, weil der Herr wusste, dass ich es zurück geben würde." Für den Soziologen Max Weber ist Rockefeller deshalb der lebende Beweis für seine Theorie der protestantischen Arbeitsethik: strebsam, genügsam und mit einem unerschütterlichen Glauben an die eigene Rolle in der göttlichen Vorsehung.
1859 wird im US-Bundesstaat Pennsylvania Erdöl entdeckt. Der erste Ölboom Amerikas beginnt. Rockefeller lässt sich vom Fieber aber nicht anstecken. Er erkennt, dass die Suche nach Öl vor allem Glücksache ist. Deshalb steigt er mit dem Geld von Investoren in die Weiterverarbeitung des Rohstoffs ein. Innerhalb von vier Jahren macht er seine Raffinerie zur größten der Welt. Damals ist Rockefeller gerade 25 Jahre alt. Um seiner Firma Standard Oil weitere Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, will er die Transportkosten senken - und organisiert ein Kartell: "So verschwor sich Rockefeller mit den Eisenbahngesellschaften und gründete die South Improvement Company, die Standard Oil nicht nur Vorzugspreise einräumte, sondern ihren Rivalen auch noch Straftarife aufbrummte", sagt Rockefeller-Biograf Ron Chernow. "Als das bekannt wurde, sind Rockefeller-Bilder öffentlich verbrannt worden." Aber der Unternehmer macht weiter. Zwischen Februar und März 1872 bringt Rockefeller 22 von 26 Raffinerien in Cleveland unter seiner Kontrolle. Fünf Jahre später kontrolliert sein Konzern 90 Prozent der US-Ölindustrie.
"Rätselhafte Widersprüchlichkeit"
Preisabsprachen, verdeckte Tochterfirmen, Bestechung von Politikern - mit solchen Methoden steigt Standard Oil innerhalb eines Jahrzehnts zum ersten riesen Konzern der amerikanischen Geschichte auf. Anti-Kartell-Bestimmungen fehlen damals. Erst in den 1890er Jahren beschließt der US-Kongress den sogenannten Sherman Act, das erste Anti-Trust-Gesetz. Doch danach ändert sich nicht viel an der zweifelhaften Praxis des Ölgiganten. Erst 1911 zerschlägt der Oberste Gerichtshof der USA Standard Oil wegen Verstoßes gegen neue Kartellgesetze.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Unternehmer aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit längst aus dem operativen Geschäft ausgeschieden und engagiert sich sozial. Seine erste Großtat als Mäzen ist die Gründung der Universität Chicago, betrieben von der örtlichen Baptistengemeinde. Er gründet auch die Rockefeller Foundation, die sich um medizinische Forschung kümmert, und die Rockfeller University in New York. John D. Rockefeller wird 97 Jahre alt und stirbt am 23. Mai 1937 in Ormond Beach im US-Bundesstaat Florida. "Rockefeller war der denkbar übelste und zugleich der beste Mensch", sagt Biograf Chernow. "Ein Mann von grundlegender, rätselhafter Widersprüchlichkeit."
Stand: 08.07.2014
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