Kamerateams, Fotoreporter und die schreibende Zunft drängeln sich am 10. Januar 1989 vor dem Wuppertaler Schwurgericht. Sie wollen eine Aufnahme, einen Blick oder ein Wort des "Todesengels" erhaschen. So nennen die Journalisten eher mitleidig die Krankenschwester Michaela R. Während ihrer Dienstzeiten sterben auf der chirurgischen Intensivstation eines Wuppertaler Krankenhauses besonders viele Patienten. Auffällig viele, findet die Staatsanwaltschaft. Nach aufwändigen Ermittlungen - unter anderem werden 28 im Krankenhaus Verstorbene exhumiert - erhebt sie Anklage wegen 17-fachen Mordes gegen die Krankenschwester.
Schon vor Prozessbeginn übernimmt die Boulevardpresse dankbar die Bezeichnung "Todesengel" für Michaela R. Die Krankenschwester gibt die Tötung von Patienten in sechs Fällen zu, sagt, sie habe aus Mitleid getötet. Ihre "Hilfsmittel": Spritzen, die den Blutdruck senken oder den Herzschlag lähmen. Nach achtmonatigem Prozess wird Michaela R. verurteilt - nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags, versuchten Totschlags, fahrlässiger Tötung und Tötung auf Verlangen. Das Gericht macht auch auf das Umfeld der Angeklagten aufmerksam, rivalisierende Chefärzte und hohe Arbeitsbelastung. Das Strafmaß von elf Jahren quittieren einige Zuschauer im Gerichtssaal mit Buh-Rufen. Die Staatsanwaltschaft geht vor den Bundesgerichtshof, doch das oberste Gericht lehnt eine Revision ab. Im August 1993 kommt Michaela R. wieder frei. Sie hat zwei Drittel der Haft verbüßt.
Stand: 10.01.04