Einer wie er würde heute beim WDR gar nicht mehr eingestellt. Sagt der Mann, der die Schule vor dem Abitur hinschmiss und später Intendant der größten ARD-Anstalt wurde. Der Mann, dem NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück 2005 attestiert: "Sie haben ein journalistisches Leben hinter sich, auf das man fast neiderfüllt gucken kann."
Fritz Pleitgens Leben beginnt wenig beneidenswert. Am 21. März 1938 wird er in Duisburg als fünftes Kind eines kleinen Krupp-Angestellten geboren. Weil "bei uns Schmalhans Dauergast war", muss er während des Krieges zwei Jahre in ein Kinderheim. Seine zeitweise nach Schlesien umgesiedelte Familie kehrt nach Kriegsende ins ostwestfälische Bünde zurück. Dort beginnt der 14-jährige Fritz, als freier Mitarbeiter für die Lokalausgabe der "Freien Presse" Bielefeld zu schreiben.
Mit Breschnew auf Auslandsreisen
Weil er "keine Lust und keine Zeit mehr zum Lernen hatte", verlässt Pleitgen das Gymnasium in der 12. Klasse, absolviert ein Volontariat und erwirbt sich als Redakteur der "Freien Presse" sein journalistisches Rüstzeug. 1963 wechselt er zum WDR nach Köln, wo er sich als "Tagesschau"-Reporter mit Berichten vom Zypernkrieg und dem israelischen Sechs-Tage-Krieg einen Namen macht. 1970 vertraut die ARD Pleitgen ihren schwierigsten Posten an: Mitten im Kalten Krieg geht er als Korrespondent nach Moskau. Mit Pelzmütze und sonorer, ruhiger Stimme macht er den Deutschen verständlich, was hinter dem Eisernen Vorhang vor sich geht.
Pleitgen spricht mit Dissidenten, gehört aber trotzdem zu den wenigen West-Journalisten, die Kreml-Chef Leonid Breschnew auf Auslandsreisen begleiten dürfen. Nach sieben Jahren, in denen er seine Liebe für Land und Leute entdeckt, schickt die ARD den Anhänger der Entspannungspolitik nach Ost-Berlin. Dort kommen dem russisch sprechenden Pleitgen seine alten Kontakte zum Kreml zugute. 1982 wechselt er die Fronten des Kalten Krieges und wird zuerst ARD-Studio-Leiter in Washington, dann in New York. Kritisch begleitet das SPD-Mitglied die Amtszeit von Präsident Ronald Reagan; Vorwürfe des Anti-Amerikanismus lassen den "unabhängigen Parteigänger des Journalismus" (Süddeutsche Zeitung) unbeeindruckt.
"Unentgeltlich vollbeschäftigt"
1988 ruft WDR-Intendant Friedrich Nowottny den Vollblut-Journalisten zurück nach Köln. Pleitgen, der sich nie zum Hierarchen berufen fühlte, wird Fernseh-Chefredakteur und 1994 Direktor des WDR-Hörfunks. Nur ein Jahr später wählt der Rundfunkrat den 1,90-Meter-Mann mit der coolen Ausstrahlung zum neuen Intendanten. Unter der Devise "Durch Qualität zur Quote" fördert Pleitgen die Produktion von Reportagen, Dokumentationen und ambitionierten Fernsehfilmen. Er führt die Regionalisierung des Senders fort, setzt sich für die Gründung des Ereigniskanals Phoenix ein und ebnet der Internetpräsenz des WDR den Weg. Gegenüber versuchten Einflussnahmen von Politikern gleich welcher Couleur erweist sich der nach eigenen Worten "überzeugte Öffentlich-Rechtliche" als resistent.
Lange hatte Fritz Pleitgen damit geliebäugelt, nach seiner Intendanz wieder als Korrespondent in New York zu arbeiten. Doch als er das Amt 2007 nach zwölf Jahren an Hörfunk-Direktorin Monika Piel übergibt, wechselt er nahtlos auf den nächsten Chefsessel. Als Vorsitzender der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH wird er zum obersten Kulturbotschafter seiner Heimat. Neben seinen mehr als ein Dutzend Ehrenämtern übernimmt Pleitgen 2011 die Präsidentschaft der Deutschen Krebshilfe. "Unentgeltlich vollbeschäftigt" lässt es sich Pleitgen aber nicht nehmen, weiter auf Reportagereisen zu gehen.
Seit Februar 2013 sitzt der nun 75-jährige Unruheständler zudem im wohl exklusivsten Gremium des Ruhrgebiets: dem Kuratorium der mächtigen Krupp-Stiftung. Deren Patriarch Berthold Beitz ist inzwischen 99 Jahre alt. Aufstiegsperspektiven für den vergleichsweise jungen Kruppianer-Sohn Pleitgen sind also noch vorhanden.
Stand: 21.03.2013
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