Stichtag

3. April 2007 - TGV stellt Geschwindigkeitsrekord auf

Als der TGV ("Train à Grande Vitesse") 1981 seine Jungfernfahrt antritt, erklärt der damalige französische Staatspräsident François Mitterand den Hochgeschwindigkeitszug zum nationalen Aushängeschild: "Ein Zeichen für die ganze Welt, dass Frankreich weiterhin eine Grande Nation, eine innovative große Nation bleiben will."

Seit der Erfindung der Eisenbahn gibt es immer wieder einen Konkurrenzkampf um lukrative Aufträge für den Bau von Zügen. Schon für die allererste Eisenbahnstrecke von Liverpool nach Manchester wird eine Art Casting veranstaltet: 1829 wird in Großbritannien im legendären Rennen von Rainhill die beste Dampflokomotive gekürt. Sie heißt "Rocket" und erreicht fast 50 Stundenkilometer - für damalige Verhältnisse beängstigend. "Es gab Warnungen davor, dass der Mensch wahnsinnig werden muss, wenn er sich bei solchen Geschwindigkeiten fortbewegt", sagt der Philosoph Peter Sloterdijk. Die Geschichte des modernen Verkehrs widerlege eigentlich diese Annahme, bestätige sie aber doch: "Weil, wir wissen nicht wirklich, was diese übertriebene Ortsbeweglichkeit mit uns macht."

Spezielle Zugkomposition

Der TGV der ersten Generation bringt es auf eine Geschwindigkeit von 380 Stundenkilometern. 1990 stellt der TGV-Atlantique mit 515 Kilometern pro Stunde einen neuen Schienenrekord auf. 17 Jahre später soll dieser gebrochen werden. Dafür investieren die Franzosen 30 Millionen Euro. Sie nennen ihren Testzug "V150", weil er bei Tempo 540 genau 150 Meter pro Sekunde zurücklegt.

Die spezielle Zugkomposition besteht aus zwei Lokomotiven und drei Waggons mit größeren Rädern. Sie verfügt über 25.000 PS, doppelt so viel wie ein fahrplanmäßiger TGV. Das entspricht fast zwei Mal so viel Leistung, wie sie am Start eines Formel-1-Rennens von allen Rennwagen zusammen erbracht wird.

Wirtschaftliche Interessen

Für die Konstrukteursfirma geht es dabei vor allem um wirtschaftliche Interessen: "Wir wollen nicht den Rekord brechen, nur um des Rekords willen", sagt Philippe Mellier, Chef der Bahnsparte des französischen Alstom-Konzerns. "Wenn es um Aufträge für China, Argentinien, Algerien, Marokko oder Saudi-Arabien geht, ist es Frankreich, das gegen Deutschland und Japan antritt." Denn beim Export von Schnellzug-Technik steht der Konzern im Wettbewerb mit dem deutschen ICE und dem japanischen Shinkansen.

Am 3. April 2007 ist es so weit: In der Champagne auf der Strecke zwischen Strasbourg und Paris wird um 13.13 Uhr ein neuer Weltrekord auf der Schiene gemessen: 574,8 Stundenkilometer. Damit übertrifft der TGV sogar beinahe auch die Bestmarke einer japanischen Magnetschwebebahn, die 2003 noch sechs Kilometer pro Stunde schneller war.

Stand: 03.04.2012

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