Stichtag

15. Januar 1202 – Rechenbuch von Leonardo Fibonacci erscheint

Leonardo Fibonacci liebt Textaufgaben. Für seine berühmteste sperrt er gedanklich ein Kaninchenpaar in einen geschlossenen Raum. Pro Monat wirft das Paar ein neues Kaninchenpaar, wobei es erst im dritten Monat gebiert, und jedes neu geworfene Kaninchenpaar macht es ebenso, wobei kein Kaninchen stirbt. Wie viele Kaninchen, fragt Fibonacci, hat man nach einem Jahr? Fibonacci stellt seine Reihe auf: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89 und so weiter. Die Lösung nach einem Jahr beträgt 144.

Die Aufgabe und ihre Lösung klingt albern, ihre Wirkung für die Mathematik aber ist fulminant. Denn aus der von Fibonacci aufgestellten Zahlenreihe lässt sich der Goldene Schnitt berechnen - also jenes perfekte Verhältnis bestimmter Maße oder Größen zueinander, das in der Kunst eine ebenso wichtige Rolle spielt wie in der Natur: Die Quotienten aufeinanderfolgender Zahlen der Reihe - also die dritte geteilt durch die zweite, die vierte geteilt durch die dritte, die fünfte geteilt durch die vierte etc. - nähern sich, ins Unendliche fortgesetzt, der Zahl 1,618033988749894848 ... Und das ist der Goldene Schnitt, der seit der Antike für Ästhetik und Harmonie steht.

Entdeckung der Nullstelle

Geboren wird Fibonacci um das Jahr 1180 in Pisa. Sein Vater leitet an der nordafrikanischen Küste eine Handelsvertretung der toskanischen Stadt. Der Vater lässt den Sohn im Kindesalter nach Afrika nachkommen und an einer Schule vor allem rechnen lernen. Hier und auf späteren Reisen, die er wohl im Auftrag seines Vaters unternimmt, lernt Fibonacci die Mathematik der Inder und Araber kennen.

Anders als bei römischen Zahlen liegt dieser Mathematik ein System zugrunde, das der Ziffer ihren Wert je nach Stellung in der Zahlenreihe zuschreibt. Ergeben etwa die Zahlen 6, 5, 8 und 2 im römischen System hintereinander geschrieben den Wert 21, kommt im indisch-arabischen Stellenwert-System 6.582 heraus. Zudem kennt das arabisch-indische Modell die Null: beim Rechnen etwa in Handelskreisen ein Vorteil, der mit Gold nicht aufzuwiegen ist.

Nie mehr mit Brettern rechnen

Vermutlich 1202 legt Fibonacci sein "Buch der Rechenkunst" ("Liber abbaci") vor. Benannt ist es nach jenem "Abakus" genannten Brett, das die europäischen Kaufleute als Hilfsmittel zum Rechnen mit römischen Ziffern benutzen. In 15 Kapiteln voller Formeln, Algorithmen, Rechnungen und Textaufgaben zeigt Fibonacci, wie sich durch das Stellenwert-System sowie die systematische Anwendung von Gleichungen, Regeln und Variablen einfacher und schneller addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren lässt. Bis heute gilt das "Liber abbaci" als eines der wichtigsten Bücher der Mathematikgeschichte.

Als angestellter Rechenmeister und Steuerschätzer kehrt Fibonacci nach Pisa zurück und kann fortan in Wohlstand leben. Unter anderem gibt er noch die "Practica geometriae" (um 1220) und das Liber quadratorum (um 1225) heraus. Er stirbt Mitte des 13. Jahrhunderts in seiner Geburtsstadt.

Stand: 15.01.2012

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